Vollversammlung
Handwerkskammer Konstanz
Georg Hiltner, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Konstanz, ZDH-Generalsekretär Holger Schwannecke und Handwerkskammerpräsident Gotthard Reiner (v.l.)

102. Vollversammlung"Darüber nachdenken, was wirklich wichtig ist"

Wie stellen Handwerksunternehmer die Weichen für die Zukunft? Wie sichern sie angesichts des digitalen Wandels die Wettbewerbsfähigkeit ihrer Betriebe? Wie finden sie Auszubildende, Fachkräfte, Nachfolger? Das sind die Fragen, die für den Wirtschaftszweig Handwerk entscheidend sind. „Treffpunkt Zukunft“ stand daher als Motto über der 102. Vollversammlung der Handwerkskammer Konstanz, die in der Tuttlinger Stadthalle tagte und die großen Zukunftsfragen in konkrete Vorhaben fasste. 

Selfie-Politik untergräbt Vertrauen

Konkrete Taten und klare Worte forderte Holger Schwannecke, Generalsekretär des Zentralverbands des Deutschen Handwerks (ZDH), in seinem Grußwort auch von Berlin und Brüssel. Das durch die Digitalisierung veränderte Kommunikationsverhalten habe in der Politik tiefe Spuren hinterlassen: „Hier ist inzwischen eine ‚Amazon-Mentalität‘ festzustellen: Was nicht gefällt, wird zurückgeschickt“, so seine Analyse. Diese Haltung schade der Glaubwürdigkeit des traditionellen Parteiensystems und begünstige die Entstehung von Sammlungsbewegungen wie in den europäischen Nachbarländern. „Wir müssen darüber nachdenken, was abseits von WhatsApp-Gruppen und Selfies wirklich wichtig ist: Welche Rolle spielen Deutschland und Europa in einer globalisierten Welt? Wie wird im digitalen Zeitalter Politik gemacht?“, so Schwannecke.

Flüchtlingsprojekt wird fortgesetzt und gefördert

Konkret wird es im Handwerk beispielsweise bei der Integration von Flüchtlingen in Arbeit und Ausbildung. „Während Berlin sich um die Grenzsicherung streitet, kümmern wir uns ganz pragmatisch um jene, die seit 2015 zu uns gekommen sind und geben ihnen eine berufliche Perspektive“, sagte Handwerkskammerpräsident Gotthard Reiner. 216 geflüchtete Menschen seien momentan im Kammergebiet in Ausbildung oder hätten bereits einen Ausbildungsvertrag für das kommende Lehrjahr unterzeichnet. Einstimmig beschlossen die Vertreter der Selbständigen und Arbeitnehmer im Handwerk eine Fortsetzung des überbetrieblichen Grundlagenunterrichts für Flüchtlinge. Gute Nachrichten konnte Hauptgeschäftsführer Georg Hiltner dabei aus Stuttgart überbringen: Das Land will das bislang ganz aus eigenen Mitteln finanzierte Pilotprojekt ab Oktober mit Mitteln aus dem Europäischen Sozialfonds fördern.

Handwerk will Rechtssicherheit und Realitätssinn

Auf bundespolitischer und europäischer Ebene bezogen die Handwerksvertreter ebenfalls klar Position. Einstimmig verabschiedete die Vollversammlung eine Resolution zur Schaffung eines Einwanderungsgesetzes für qualifizierte Zuwanderung und ein generelles Bleiberecht für beschäftigte Flüchtlinge. Außerdem setzt sich das regionale Handwerk für mehr Rechtssicherheit für Flüchtlinge in Ausbildung und eine konsequente Anwendung der 3+2-Regelung ein. „Die Furcht vor Abschiebung darf das Ausbildungsverhältnis nicht belasten“, so die Forderung.

Auch bei anderen Themen setzen die Mitglieder der Vollversammlung auf Realitätssinn und Augenmaß: So solle die derzeit verhandelte Ausweitung der Tachographenpflicht auf die Transportbranche beschränkt werden. Und bei der Umsetzung der Datenschutzgrundverordnung müssten kleine Betriebe vor missbräuchlichen Abmahnungen geschützt werden.

Kammer setzt auf digitales Lernen und Lehren

Im eigenen Haus und in den Bildungshäusern der Handwerkskammer will Hauptgeschäftsführer Georg Hiltner seinen Zukunftskurs fortsetzen und vor allem die Digitalisierung der Aus- und Weiterbildung vorantreiben. „Wir wollen das Lernen und Lehren effizienter machen und damit auch Impulsgeber für unsere Mitgliedsbetriebe sein“, so Hiltner. "Treffpunkt Zukunft" hieß es deshalb auch im Anschluss an die Sitzung der Vollversammlung bei Vorträgen und einem 3D/XR-Parcours rund um neue Lern- und Lehrformen.