
Der junge Flüchtling Sellou Jallow aus Gambia startete 2016 eine Ausbildung als Elektroniker bei der Firma Eichkorn in Brigachtal. Für Betriebsinhaber Michael Eichkorn (im Bild mit Seniorchef) ein echter Glücksfall, wie er sagt.
Viele Fragen offen
Studien über Integration von Flüchtlingen vielfältig - Theoretische Erkenntnisse müssen in Praxis einfließen
Nie kamen so viele schutzsuchende Menschen weitgehend ungesteuert nach Deutschland wie 2015. Eine Riesenaufgabe für das Land. Kein Wunder also, dass sich viele wissenschaftlichen Studien mit der Integration von Flüchtlingen in Ausbildung und Arbeit beschäftigen – mit den unterschiedlichsten Fragestellungen.
Auch im Handwerkskammerbezirk Konstanz durften Ausbildungsbetriebe bereits für Forschungszwecke Rede und Antwort stehen, etwa dem Bachelorstudenten Johannes Wilhelm von der Universität Konstanz und Dr. Eleftheria Egel, die unter anderem an der University of People in Kalifornien doziert.
Die ersten Ergebnisse wurden nun in der Handwerkskammer Konstanz vorgestellt und sie schreien regelrecht nach weiteren Analysen. So zieht etwa Johannes Wilhelm in seiner Bachelorarbeit mit dem Titel „Die betriebliche Integration von Asylbewerbern und Flüchtlingen – Probleme und Barrieren aus der Perspektive von Unternehmen“ das folgende erste Fazit: Weder geringe Sprachkenntnisse und ein niedriges Bildungs- und Qualifizierungsniveau, noch der bürokratische Aufwand bei der Anstellung eines Flüchtlings scheinen dessen Integration im Betrieb zu gefährden. Faktoren wie Unpünktlichkeit oder Fehlzeiten des Geflüchteten sowie eine schwierige Branchenkonjunktur könnten dies jedoch nach ersten Ergebnissen sehr wohl zur Folge haben.
Da Wilhelm selbst nicht anwesend sein konnte, wurde die Arbeit von Marina Mauch, zentrale Ansprechpartnerin zum Thema Integration von Geflüchteten bei der Handwerkskammer Konstanz, vorgestellt. Aufgrund der geringen Zahl der Befragten sei die Studie nicht repräsentativ. Eine Vertiefung erfordere weitere Studien.
Aus einer anderen Perspektive nahm sich Dr. Eleftheria Egel dem Thema Flüchtlingsintegration an. Sie geht in ihrer Arbeit der Frage nach, inwiefern höhere Werte die Unternehmen in Baden-Württemberg bei der Beschäftigung und Integration von Flüchtlingen beeinflussen. Denn Flüchtlinge seien letztlich keine „normalen“ Migranten. Viele wiesen durch schreckliche Erlebnisse der Vergangenheit eine posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) auf, was eine besondere Herausforderung und einen erhöhten Aufwand für Betriebe in der Integrationsarbeit darstelle. Egel präsentierte Interviewauszüge aus den Themenbereichen Lebens- und Arbeitshaltung der Betriebsinhaber. Darin wurde deutlich, dass hohe Werte, die sinnstiftend für das Leben einer Person sind, auch deren Motivation erhöhen, Flüchtlinge zu integrieren. Details hierzu ließ die Wissenschaftlerin noch offen. Auch hier stehen vertiefende Auswertung und Analysen noch aus.
Marina Mauch ist jedenfalls gespannt auf weitere Ergebnisse. „Wichtig ist, dass wir die Erkenntnisse dann auch in unsere praktische Arbeit einfließen lassen können“, so Mauch. Allein im Kammerbezirk werden derzeit 221 geflüchtete Menschen ausgebildet bzw. sind bereits für eine Lehre im Herbst eingetragen.