Aufbruch im HandwerkRetro trifft Elektro

Die Werkstatt Legend Motors aus Villingen-Schwenningen rüstet Oldtimer auf E-Antrieb um. Dass die Autos mit Strom fahren, ist auf den ersten Blick nicht zu erkennen.

Clemens Hummel vor Motor eines Oldtimers mit elektronischer Steuereinheit in der Hand.
HWK KN / Julia Kipping
Ein Kofferraum voll Power: In dem Mercedes Pagode sind die Batterien für den Antrieb dort untergebracht, wo sonst das Gepäck verstaut wird. Clemens Hummel hält die elektronische Steuereinheit. Auf dem Tisch liegt der grüne Elektromotor, der nur etwa ein Drittel so groß ist wie der Verbrenner.

Der Oldtimer mit Baujahr 1971 ist in Topform. Die runden Formen des Mercedes SL Pagode glänzen in edlem Sandbeige-Metallic. Auch der Stern am Kühlergrill strahlt frisch poliert. Ein Zustand wie gerade vom Band – wären da nicht der leere Motorraum und die ausgebauten Sitze.

Das Liebhaberstück steht kurz vor seiner Metamorphose. In der Werkstatt von Legend Motors in Villingen-Schwenningen haben die Mechatroniker den schweren Verbrennermotor ausgebaut und rüsten die Stilikone für ihre elektronische Zukunft um. Auspuff, Ölleitungen, Benzintank – alles, was an die fossile Vergangenheit des Fahrzeugs erinnert, muss raus. Dafür hat das Team um Geschäftsführer Clemens Hummel auch die Sitze komplett entfernt.  Der kleine Elektromotor passt unter jede Motorhaube. Im Kofferraum sind bereits die nötigen Batterien für 250 Kilometer Reichweite installiert.

„Nachhaltiger geht es nicht“, sagt Hummel, gelernter Kfz-Mechatroniker. „Die Produktion neuer Fahrzeuge kostet unglaublich viel Energie. Mit dem E-Motor zerstören wir die Oldtimer nicht, wir beleben sie wieder, damit sie möglichst lange genutzt werden können.“ 16 Liter Benzin schluckt der Verbrennermotor auf 100 Kilometer. Legend Motors verwandelt die durstige Raupe in einen grünen Schmetterling – ohne Abgase und viel Getöse.

Zurück ins Handwerk

Schon als Achtjähriger schraubte Hummel an Autos herum. Sein Nachbar fuhr Autorcross-Rennen, da war ständig Optimierungsbedarf. Angesteckt von der Faszination für Schnelligkeit und Motoren startete der Villinger seine Handwerksausbildung. 
Der Weg führte ihn nach einem Ingenieurs-Studium in die Entwicklung in der Industrie, Lampentechnik und Automobilzulieferer. Doch trotz Karriere kam irgendwann der Punkt, an dem ihn das nicht mehr erfüllt hat. „Es gab viele Meetings, am Abend aber kein sichtbares Ergebnis“, schildert der 42-Jährige.

Er besann sich auf seine handwerklichen Fähigkeiten, besuchte Fortbildungen zur Elektromobilität und eröffnete schließlich seine Werkstatt, zuerst 2019 in der Garage seines Vaters. Für nächstes Frühjahr ist der Umzug in den 500 Quadratmeter großen Neubau geplant, der gerade im Gewerbegebiet Nunnensteig entsteht. „Ich bin froh, dass ich den Schritt gewagt habe. Ich könnte von 6 Uhr bis Mitternacht in der Werkstatt stehen  und es würde sich nicht wie Arbeit anfühlen“, sagt Clemens Hummel. So klingt jemand, der seinen Weg gefunden hat. 

Bis zu fünf Oldtimer können momentan gleichzeitig umgerüstet oder saniert werden. Alles, was Hummel und seine vier Mitarbeiter austüfteln, sind Individuallösungen, die sich am Fahrzeug und an den Kunden orientieren. „Wir suchen für jedes Auto eine eigene Lösung. Die Kunden haben unterschiedliche Ansprüche an Reichweite und Leistung“, er klärt er. Beim Mercedes Pagode ist am Ende kein Unterschied zur Verbrennerversion zu sehen. Der nostalgische Charme des Fahrzeugs bleibt erhalten, samt Schaltknüppel und Armaturenbrett. So erscheint beispielsweise der Ladestand der Batterie in der Tankanzeige. Viel Handarbeit, viel Zeit und viel Detailliebe fließen in die Umrüstung, die rund 80.000 Euro kosten wird, genauso viel wie der Wert des Oldtimers.

Herausfordernde Konstruktionen

Alles, was sich das Tüftler-Team ausdenkt, wird vor der Umsetzung bereits vom TÜV abgenommen. „Einige Konstruktionen sind schon sehr herausfordernd“, sagt Hummel. Doch genau das macht ihm Spaß. „Ich kann jetzt wieder schrauben. Das ist  das Tolle am Handwerk. Wir erschaffen was mit den Händen und freuen uns am Abend, wie großartig es geworden ist.“ Eingebaut werden hochwertige Teile, die auch die Autohersteller für ihre Elektrofahrzeuge verwenden.

Auch die Kunden wissen den Service von Clemens Hummel und seinem Team zu schätzen. Es sind Unternehmer, Sportler und andere Prominente dabei. Und viele verfolgen den nachhaltigen Gedanken gerne weiter. „Wir haben Sammler, die gerne auch mehrere Wagen aus ihrem Fuhrpark umrüsten lassen wollen.“

Daniele de Luca feilt an der Karosserie eines Fiat 500.
HWK KN / Julia Kipping
Dieser kleine Fiat 500 wird komplett restauriert. Karosseriebauer Daniele de Luca feilt noch an den letzten Feinheiten.

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