Arman Vardanyan vom "Fahrradeck" in Konstanz lehnt sich in seinem Laden an ein Fahrrad.
Anja d'Oleire-Oltmanns

Nachhaltigkeit im Handwerk"Die Reparatur rettet die Branche"

 Die Deckenlichter sind aus; ein Strahler, der mit einer Powerstation betrieben wird, beleuchtet den Verkaufsraum. Arman Vardanyans „Fahrradeck“ ist einer von acht Zweiradmechaniker-Betrieben in Konstanz, die Fahrradreparaturen anbieten. Die Branche boomt, auch 2021 war laut dem Zweirad-Industrie-Verband der Fahrradverkauf deutlich über dem Vor-Corona-Niveau. Die Probleme in den Lieferketten und die Energiekrise stellen einen Einzelkämpfer wie Arman Vardanyan jedoch vor große Herausforderungen.

„Man steht zurzeit auf einem Bein“

„In der Branche gibt es eine große Krise. Es ist ungefähr zehnmal weniger Ware zu bekommen als sonst. Bei vielen Herstellern fehlen die Komponenten, um die Fahrräder fertig zu liefern. Man steht zurzeit auf einem Bein. Die Reparatur rettet die Branche momentan, allein mit Verkauf ist es nicht möglich.“ Seit 2006 ist er selbstständig im Zweiradmechaniker-Handwerk. Dabei ist Vardanyan, der 1995 von Armenien nach Deutschland kam, einen Sonderweg gegangen. Durch sein Ingenieur-Diplom und seine über zwanzigjährige Tätigkeit in der Branche durfte er eine Prüfung beim Regierungspräsidium Freiburg ablegen, die ihn mit einem Zweiradmechanikermeister gleichstellt.

Reparieren statt Neukaufen

Das Thema Nachhaltigkeit ist Vardanyan bei seiner Arbeit sehr wichtig. Reparieren statt Neukaufen lautet seine Devise. Dabei ist die Reparatur von Fahrrädern sein Steckenpferd: „Auch in der Hochsaison versuche ich, das Fahrrad spätestens nach 48 Stunden wieder zurück an den Kunden zu liefern. Bei Kunden, die nicht warten möchten und können, zum Beispiel Urlauber, machen wir auch Expressreparaturen.“

Die Verschleißteile landen bei Vardanyan nicht automatisch im Müll. „Ein Hersteller nimmt zum Beispiel die Schläuche zurück, um damit neue Mäntel zu fertigen. Außerdem bieten wir Kunden, die neue Komponenten wünschen, die Option, rabattiert einzukaufen, und wir verkaufen die nicht-abgenutzten Teile zu einem geringen Preis weiter, beispielsweise an Studenten.“ 

Leihräder-Nachfrage abgenommen

Ebenfalls im Portfolio hat Vardanyan Leihräder. Zwar begrüßt der Fahrradexperte die nachhaltige Methode der Fortbewegung, doch das Thema bereitet ihm auch Sorgen: „Dieses Jahr war es sehr schwer, Fahrräder zu bekommen. Wir mussten viele unserer Leihräder gebraucht verkaufen, um zu überleben.“ Dazu kommt, laut Vardanyan, eine sinkende Nachfrage im Vergleich zur Vor-Corona-Zeit.

Vardanyan sieht die verminderte Kaufkraft durch Inflation und Energiekrise sowieso die Unsicherheit als Ursachen für das momentane Tief. Auch er macht sich als Geschäftsinhaber täglich Gedanken. „Natürlich macht man sich Sorgen um den eigenen Betrieb, da die Kaufkraft deutlich schwächer wird. Ich hatte letztens Kunden, die gefragt haben, ob sie erst zahlen können, wenn das Gehalt kommt; das habe ich in zwanzig Jahren nicht erlebt.“

Schwierige Zeiten erfordern kreative Ideen: In eine Solarpaneele, die über eine Powerstation bei Bedarf seinen Verkaufsraum und seine Werkstatt ausleuchtet, hat Vardanyan schon investiert. Sie hält acht Stunden, damit er auch bei einem möglichen Stromausfall seine Kunden nicht im Dunkeln stehen lassen muss.

 Betriebszahlen

Im Bezirk der Handwerkskammer Konstanz (Landkreise Tuttlingen, Schwarzwald-Baar, Rottweil, Konstanz und Waldshut) haben, Stand 07.11.2022, 484 Zweiradmechaniker/-innen mit der Fachrichtung Fahrrad oder Motorrad einen Betrieb angemeldet. Die Zahlen steigen kontinuierlich. 2017 waren es 392 bei der Handwerkskammer eingetragene Betriebe, 2018: 412, 2019: 423, 2020: 446, 2021: 463.