BerufsorientierungWerkstatt nur für Kinder
10.10.2025: In der Werkerei in Radolfzell zeigt Sebastian Gleich Kindern und Jugendlichen den Spaß am Handwerk. Als Schreiner und Ergotherapeut schafft er in der kleinen Werkstatt besondere Erlebnisse.
Kindgerecht zeigt Sebastian Gleich in der Werkerei in Radolfzell den Teilnehmern seiner Kurse, wie sie Werkzeuge nutzen und eigene Projekte umsetzen.
In der Werkerei trifft Handwerk auf Pädagogik. Kleine Hände werden hier angeleitet, aus Holz etwas Eigenes zu schaffen. Segelschiffe, Roboter oder Stifteigel – die Kinder starten mit einer Idee und halten am Ende stolz ihr Werk in den Händen. Begleitet werden sie dabei von Schreiner Sebastian Gleich. Der 42-Jährige hat mit seiner kleinen Werkstatt in der Radolfzeller Altstadt einen Ort geschaffen, an dem Kinder erste Erfahrungen mit dem Handwerk sammeln können. Ohne Zwänge, fernab von Benotung, dafür mit echtem Werkzeug und ganz viel Kreativität.
Kindern die Möglichkeit zu geben, sich selbst zu erfahren, Werkzeug auszuprobieren und eigene Ideen umzusetzen, darauf baut die Idee von Gleich. Denn solche Möglichkeiten sind seltener geworden. „Ich hatte das Glück, dass ich früher stundenlang in der Werkstatt meines Opas frei arbeiten konnte“, erinnert sich Gleich. „Da habe ich viel gelernt. Das ist leider nicht mehr selbstverständlich.“ In der Schule gibt es zu wenig Angebote im handwerklichen Bereich und zu Hause mangelt es an Platz und Zeit.
Kinder arbeiten hier ganz ohne Druck
Die Kinder, die in Kursen, kleinen Workshops oder an Kindergeburtstagen bei ihm werkeln, merken dass es hier anders ist. Da hat jemand Zeit und hört zu. Sebastian Gleich fördert die Kreativität, ganz ohne Druck. „Für mich ist die Arbeit mit den Kindern total erfüllend. Sie gehen glücklich nach Hause und fragen sogar, ob sie hier einziehen können. Das ist eine tolle Bestätigung.“
Dieser soziale Austausch fehlte Gleich bei seiner Arbeit als Schreiner. Er selbst hatte wenig Kontakt zu Kunden. Deshalb hat er sich weiterorientiert und sich für eine Ausbildung zum Ergotherapeuten entschieden. Als pädagogische Fachkraft arbeitet er hauptberuflich an einer Förderschule in Konstanz. Die Werkerei ist ein Nebenerwerb von ihm, in den er seit über zwei Jahren viel Herzblut und Idealismus steckt.
„Das lässt sich nicht mit Geld aufrechnen“
„Es sind andere Dinge, die ich zurückbekomme. Das lässt sich nicht in Geld aufrechnen“, versucht er deutlich zu machen, warum er an der Idee festhält. „Ich freue mich, wenn die Kinder hier sind.“ So kommt er auch gerne selbst mit seinem sechsjährigen Sohn an Sonntagen in die Werkstatt, um bewusst Zeit mit ihm zu verbringen und zu basteln.
Kindgerechtes Werkzeug und passende Arbeitsplätze
Am Münster in einem kleinen historischen Haus aus dem Jahr 1562 ist die Werkstatt untergebracht, direkt am Marktplatz. Die Werkbank ist auf kindgerechter Höhe angebracht, die Werkzeuge hängen geordnet an zwei alten Holztüren. Alles hat hier seinen Platz. „Die Kinder lernen nicht nur, wie sie Sachen bauen, sondern zum Beispiel auch die Organisation am Arbeitsplatz“, so Gleich.
Sie arbeiten in kleinen Gruppen zu viert oder fünft, damit Zeit zum Erklären und Zeigen ist. Trotz der Möglichkeiten Ideen, frei umzusetzen, gibt es Werkstattregeln, die zu Beginn für alle erklärt werden. Außerdem gibt es eine ausführliche Einführung in den Umgang mit den kindgerechten Werkzeugen. „Ziel ist es, dass die Kinder selbst bauen. Ich unterstütze und beaufsichtige. Die Motivation ist von ganz alleine da“, erzählt er.
Kinder sammeln Erfahrungen
Hin und wieder gibt es Kooperationen mit Kindergärten und Schulen. „Der Schreinerberuf hat mir nach der Schule Orientierung gegeben. Mich hat das Gestalten von Holz begeistert. Das Handwerk ist eine gute Grundlage für alles andere.“ Er findet, dass Kinder nur davon profitieren, wenn sie früh den Umgang mit Werkzeug lernen. „Sie finden viel einfacher einen Zugang zum Handwerk und können klar sagen, ich will das machen oder nicht. Es ist schwieriger, wenn sie erst spät Einsicht bekommen.“
Aus seiner Arbeit in der Förderschule weiß er, dass die meisten Kinder und Jugendlichen fürs Handwerk zu begeistern sind. „Warum schaffen wir diesen Kindern nicht einen einfacheren Zugang? Das sind alles talentierte Kinder, auch wenn die schulischen Leistungen vielleicht nicht die besten sind. Sie müssen nur rausfinden können, was sie gut können. Das vernachlässigt unser Schulsystem oft“, bedauert Gleich, dass trotz hohem Fachkräftebedarf, der richtige Ansatz an der Stelle fehlt.
Grenzen überwinden, sich selbst was zutrauen – das lernen Kinder und Jugendliche in der Werkerei nebenbei. Und sie erleben, wie erfüllend es ist, selbst zu gestalten. Es ist eine Schulung fürs Selbstbewusstsein. „Einige Kinder trauen sich gar nicht zu, die Werkzeuge zu benutzen oder sie waren noch nie ohne Eltern so lange an einem Ort, den sie nicht kennen. Dann wachsen sie hier ein Stück und merken, was doch alles geht. Das ist eine große Leistung.“