
Vorurteile abbauen und sich über die andere Kultur informieren – die richtige Kommunikation über die Kulturen hinweg gelingt, wenn beide Seiten versuchen, einander zu verstehen. Manchmal braucht es auch einen Vermittler, der für gegenseitiges Verständnis sorgt.
Interkulturelle Kommunikation„Es geht um Wertschätzung füreinander“
Immer mehr Betriebe beschäftigen Menschen mit unterschiedlichem kulturellen Hintergrund. Doch Unterschiede in Mentalität, Kommunikationsstil und Werteverständnis können neben Chancen schnell zu Spannungen führen. Die Handwerkskammer Konstanz hat deshalb ihre Ausbildungs- und Betriebsberater im Bereich interkulturelle Kommunikation geschult. Trainer war der Soziologe und Interkulturelle Trainer Fahim Sobat, der selbst aus Afghanistan stammt und seit vielen Jahren zwischen den Kulturen vermittelt. Im Interview erklärt er, wie interkulturelle Verständigung gelingt – und warum es dafür mehr braucht als gute Absichten.
Herr Sobat, wie kamen Sie persönlich zum Thema interkulturelle Kommunikation?
Ich bin in Kabul geboren und als Kind nach Deutschland gekommen. Ich erinnere mich noch gut: Als ich zum ersten Mal Fasching erlebt habe, dachte ich, die sind hier alle verrückt geworden! Schon früh habe ich mich als Beobachter empfunden, war still, habe viel zugehört – und versucht zu verstehen. Ich habe beide Kulturen von außen betrachtet, Unterschiede in Begrüßung, Werten, Religion oder Höflichkeit bemerkt – und angefangen, diese Unterschiede zu vergleichen.
Das Beobachten kostet Kraft, aber es hat mich geprägt. Ich habe später Kultur- und Sozialwissenschaften studiert und meine persönlichen Erfahrungen mit Fachwissen kombiniert. Heute bin ich so etwas wie ein Brückenbauer zwischen den Welten.
Was sind aus Ihrer Sicht die häufigsten Stolpersteine in multikulturellen Teams?
Missverständnisse entstehen oft durch fehlendes Wissen – und durch Stereotype. Ein Beispiel: In Deutschland wird meist direkt und sachorientiert kommuniziert. Kritik wird häufig offen angesprochen, Probleme sollen zügig gelöst werden – Effizienz zählt. In vielen anderen Kulturen steht jedoch der Beziehungsaufbau im Vordergrund, Small Talk ist wichtig. Wer das nicht weiß, interpretiert das Verhalten des anderen schnell falsch, hält sein Gegenüber womöglich zu Unrecht für unorganisiert oder denkt, dass immer eine ehrliche Antwort erwartet wird.
Auch das Höflichkeitsempfinden unterscheidet sich: In Deutschland gelten fünf Minuten Verspätung als unhöflich – in anderen Kulturen kann das völlig normal sein. Oder nehmen Sie das Thema Körpersprache: Ein fester Händedruck ist hier üblich, in anderen Ländern wird er als zu grob oder distanzlos empfunden.
Problematisch wird es auch, wenn Menschen, die hier geboren sind, immer noch gefragt werden: „Wie ist das bei euch?“ Solche Fragen irritieren, weil sie Ausgrenzung vermitteln und nicht klar ist, was genau mit „Euch“ gemeint ist.
Wie lassen sich solche Missverständnisse vermeiden?
Indem man Menschen nicht auf ihre Herkunft reduziert, indem wir Vorurteile abbauen und den Menschen mit seiner Geschichte und seinen Talenten in den Mittelpunkt stellen. Die aufnehmende Gesellschaft muss genauso offen sein, wie die Zugewanderten und sich informieren. Viele Deutsche denken zum Beispiel, Syrer, Afghanen oder Türken hätten alle den gleichen Hintergrund. Dabei gibt es große kulturelle Unterschiede. Afghanen sprechen Farsi, eine indogermanische Sprache, die mit dem Deutschen mehr gemeinsam hat als mit Arabisch.
Ich sage auch ausländischen Mitarbeitern: Nehmt nicht jedes Verhalten gleich persönlich. Oft fehlt dem deutschen Gegenüber schlicht die Erfahrung und die Perspektive, wie es ist, zwischen zwei Kulturen zu leben. Diese Perspektive kann man nicht voraussetzen. Es braucht eben mehr Wissen übereinander. Und nur wer die kulturellen Unterschiede kennt, kann sie auch richtig einordnen, zwischen kulturbedingtem Verhalten und Verhalten, dass auf andere Einflussfaktoren zurückzuführen ist, besser differenzieren – und adäquat und verständnisvoll reagieren.
Welche Rolle spielen Betriebsinhaber oder Führungskräfte in interkulturellen Teams?
Eine entscheidende, Führungskräfte müssen verstehen, dass Integration von beiden Seiten ausgeht. Es reicht nicht zu sagen: „Der oder die muss sich anpassen.“ Es geht darum, Schnittstellen zu schaffen, gemeinsam Strukturen und eine vielfaltsorientierte Teamkultur zu schaffen. Wer als Betriebsinhaber Vielfalt vorlebt, macht sie zum Erfolgsfaktor. Wer vorlebt, dass Unterschiede bereichern, motiviert sein Team. Eine gute Führungskraft ist Moderator, Coach – und Brückenbauer.
Was können Betriebe konkret tun, um interkulturelle Kompetenz im Team zu fördern – auch ohne große Schulungen?
Schon kleine Maßnahmen wirken: Zunächst sollte zumindest die Führungskraft und bestenfalls das Team dafür sensibilisiert werden, dass es unterschiedliche kulturelle Einflüsse gibt. Schon einfache Infos über die Herkunftsländer der Mitarbeitenden helfen.
Wichtig ist, die eigenen Werte klar zu benennen – und andere einzubeziehen.
Ein Leitbild mit klar formulierten Werten schafft Orientierung, ebenso klare Regeln und Strukturen. Hilfreich ist auch eine Vertrauensperson, an die sich neue Mitarbeitende wenden können.
Aktionen fördern den Zusammenhalt: zum Beispiel ein gemeinsames Kochen mit Gerichten aus verschiedenen Heimatländern. So entsteht Raum für alle, sich als Individuum mit eigenen Stärken zu zeigen.
Wenn Konflikte zwischen Nationalitäten entstehen, muss die Führungskraft klar signalisieren: Hier geht es nicht um Politik, sondern um das Unternehmen und eine erfolgreiche Zusammenarbeit. Falsch verstandene Toleranz ist fehl am Platz – Führung bedeutet auch, klare Grenzen zu setzen. Wer einfache interkulturelle Werkzeuge kennt, löst Konflikte, bevor sie eskalieren – und spart Zeit, Geld, Energie und Personalfluktuation.
Was raten Sie einem Handwerksmeister, der zum ersten Mal jemanden aus einem ganz anderen Kulturkreis einstellt?
Fünf Dinge: Vorbereitung, professionelle Beratung, Klarheit, Struktur und Zeit. Neue Mitarbeitende brauchen Orientierung. Dazu gehört eine Willkommensmappe mit den wichtigsten Informationen, eine feste Ansprechperson und ein professionelles Onboarding. Und dann: Geduld. Man muss den neuen Mitarbeitenden schrittweise an das neue Umfeld heranführen. Wenn möglich, kann auch ein „Kulturvermittler“ unterstützen – eine Person, die beide Seiten versteht und Missverständnisse schnell auflöst. Ich selbst habe viele junge Mitarbeitende begleitet – im Hintergrund habe ich oft für gegenseitiges Verständnis gesorgt.
Wer den Einstieg gut vorbereitet, profitiert später umso mehr: motivierte Mitarbeitende, frischer Blick, neue Ideen. Ich habe oft erlebt, wie aus Unsicherheit Vertrauen wurde. Wenn beide Seiten offen sind, entsteht eine echte Win-win-Situation – für den Betrieb und das gesamte Team.
Wie kann kulturelle Vielfalt im Betrieb zum echten Mehrwert werden?
Wenn Vielfalt wertgeschätzt wird, entsteht ein besseres Betriebsklima – das erhöht die Motivation und reduziert langfristig Konflikte. Außerdem erschließt man durch vielfältige Teams neue Kundengruppen. Vielfalt ist kein Risiko, sondern ein echter Gewinn – für das Miteinander und für den Unternehmenserfolg.