Seit 1900 begleitet die Handwerkskammer Konstanz das regionale Handwerk. Lesen Sie in unseren Meilensteinen, warum die Idee der Selbstverwaltung damals wie heute einzigartig und wertvoll ist.

Seit 1900 begleitet die Handwerkskammer Konstanz das regionale Handwerk durch Zeiten des Aufbruchs, der Krise und der Erneuerung. Aus kleinen Werkstätten wurden leistungsstarke Betriebe, aus Lehrwerkstätten moderne Bildungszentren, aus der Verwaltung eine Einrichtung, die heute Stimme, Dienstleisterin, Bildungsträgerin und Impulsgeberin des Handwerks ist. Die folgenden Meilensteine zeigen, warum die Idee der Selbstverwaltung damals wie heute einzigartig und wertvoll ist. Ein Blick zurück, der vor allem eines macht: neugierig auf die kommenden Jahre.
Die Anfangsjahre (1900–1914)
Mit einer ministeriellen Verordnung vom 9. April 1900 wird die Handwerkskammer Konstanz gegründet – eine von vier Kammern im damaligen Baden. Nach den ersten Wahlen im Spätherbst nimmt sie am 21. Januar 1901 offiziell ihre Arbeit auf.
Erster Präsident wird der Maler Eduard Emele, erster Geschäftsführer Heinrich Müller. Über 10.000 Betriebe zählen damals zum Kammerbezirk, davon 87 Prozent Ein-Mann-Betriebe. Die stärksten Gewerke: Schuhmacher, Maurer, Zimmerer, Herrenschneider, Schmiede und Wagner.
Ein wichtiger Meilenstein folgt 1914: Nur zehn Monate nach Grundsteinlegung wird das neue Kammergebäude am Rhein feierlich eingeweiht – bis heute Sitz der Verwaltung. Das Ereignis wird jedoch von den politischen Umbrüchen jener Zeit überschattet: Zwei Wochen später beginnt der Erste Weltkrieg.
Brüche und Neubeginn (1933–1946)
Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten werden die badischen Kammern 1933 zentralisiert. Die Handwerkskammer Konstanz wird „abgewickelt“ und zur Außenstelle Karlsruhes.
Nach Kriegsende ermöglicht die französische Militärregierung 1946 den administrativen Wiederaufbau. Am 4. März 1946 wird die Kammer neu gegründet – mit Altpräsident Konrad Fischer an der Spitze und Franz Schumann als Geschäftsführer. Das Kammergebiet entspricht weitgehend den alten Strukturen.
Wachstum, Beratung und Bildung (1950er–1980er)
Beratung gewinnt an Bedeutung
1957 entsteht gemeinsam mit der Handwerkskammer Freiburg das „Gemeinschaftswerk für Unternehmensführung“, um jungen Handwerkern betriebswirtschaftliche Grundlagen zu vermitteln.
1961 reagiert die Kammer auf zunehmende rechtliche und technische Anforderungen: Es entstehen neue Betriebsberatungsstellen in Säckingen, Villingen und Stockach – finanziert von Bund und Land. Das war der Start eines bis heute bestehenden, professionellen Beratungssystems.
Ausbau der Lehrwerkstätten
1962/63 erhält das Hauptgebäude am Konstanzer Webersteig einen Anbau für Lehrwerkstätten, um die überbetriebliche Ausbildung voranzubringen.
Große Verwaltungsreform
1972 werden die Kammerbezirke neu geordnet. Seither umfasst die Handwerkskammer Konstanz die Landkreise Konstanz, Waldshut, Rottweil, Tuttlingen und den Schwarzwald-Baar-Kreis.
Der Aufbau moderner Bildungsstätten
In den 1970er- und 1980er-Jahren entsteht ein flächendeckendes Netz beruflicher Bildungszentren:
- 1972: Eröffnung der Berufsbildungszentren Konstanz und Waldshut
- 1977: Neues Bildungszentrum Donaueschingen
- 1978: Deutschlandweit einmalig – eine gemeinsame Bildungseinrichtung mit der IHK Schwarzwald-Baar-Heuberg in Tuttlingen
- 1980: Die Bildungsstätte Villingen wird zur „Akademie des Handwerks“
- 1986: Bildungsstätte Rottweil
Seit 1989 tragen alle Einrichtungen den Namen Gewerbe- bzw. später Bildungsakademien.
Internationale Kooperation
1980 beginnt die Partnerschaft mit der französischen Handwerkskammer Montereau. Die „Jumelage“ wird 1981 auf der Insel Mainau und in Fontainebleau feierlich besiegelt. Lehrlingsaustausche und Besuche folgen.
Neue Aufgaben und gesellschaftliche Entwicklungen (1990er–2010)
1992: Start der Umweltschutzberatung
Mit wachsender Bedeutung des Umweltschutzes richtet die Kammer eine neue Beratungsstelle ein – heute ein bedeutender Lotse durch den Förder- und Energiewendedschungel.
1994: Kontaktstelle Frau und Beruf
Als einzige Handwerkskammer in Baden-Württemberg richtet Konstanz die vom Land geförderte Stelle ein. Ziel: Frauen beim beruflichen Wiedereinstieg unterstützen und Mädchen für technische begeistern.
2006: Einführung der Starter Center
Gründungswillige erhalten ihre Anlaufstelle „aus einer Hand“ – ein wichtiger Schritt zur Vereinfachung von Unternehmensgründungen.
2009: Die Imagekampagne startet
Deutschlandweit wird das Handwerk sichtbarer. „Das Handwerk. Die Wirtschaftsmacht von nebenan.“ lautet der Claim der bis heute erfolgreichen bundesweiten Imagekampagne des Handwerks.
Innovation und neue Wege (2012–2019)
2012: Die Bildungsakademie Singen
Das neue Bildungshaus setzt Standards: moderne Werkstätten, Schwerpunkt auf Metall- und Elektrotechnik, VR-Training, Berufsorientierungs-Angebote und Meistervorbereitung. Ein Leuchtturm der überbetrieblichen Ausbildung in Baden-Württemberg.
2015/16: Integration Geflüchteter
Die Kammer reagiert schnell auf steigenden Unterstützungsbedarf: Grundlagenkurse, Ausbildungsintegration, Kooperationen mit Partnern und später Projekte wie das „Kümmererprogramm“ entstehen.
2016: Ein besonderer Neujahrsempfang
Außenminister (heute Bundespräsident) Frank-Walter Steinmeier spricht in Konstanz über „Die Welt aus den Fugen“ – ein vorausschauender Vortrag inmitten der Flüchtlingskrise.
2017: Das Ausbildungszertifikat VORAUS
Das von der Kammer entwickelte Qualitätssiegel zeichnet erstmals Betriebe mit vorbildlicher Ausbildungskultur aus. Es gibt jungen Menschen Orientierung und Betrieben wertvolle Impulse.
Krise, Digitalisierung und Nachhaltigkeit (2020–2024)
2020: Corona-Pandemie
In kurzer Zeit übernimmt die Kammer neue Aufgaben wie Informationsmanagement zu Verordnungen, Impfaktionen für Betriebe, Organisation von Test- und Maskenbezug, Unterstützung bei finanziellen Hilfen – ein Kraftakt im Dienste der Mitglieder.
2021: Virtuelles Lernen
VR-Schweißen, digitale Anwendungen und Lernmodule halten Einzug in die Aus- und Weiterbildung und kommen bei jungen Menschen hervorragend an.
2024: Nachhaltigkeit im Fokus
Gemeinsam mit der Klimaschutzstiftung BW bietet die Kammer erstmals den Zertifikatslehrgang „Klimaschutz- und Nachhaltigkeitsmanager“ an. Ziel: Betriebe beim Aufbau sinnvoller und nachweisbarer Nachhaltigkeitsstrategien unterstützen.
Fazit: 125 Jahre im Wandel – mit Blick nach vorn
Die Geschichte der Handwerkskammer Konstanz zeigt: Das Handwerk bleibt nur dann stark, wenn es sich kontinuierlich weiterentwickelt. Die Kammer hat diesen Wandel stets begleitet, ob beim Aufbau der Berufsbildung, der Beratung, der Integration neuer Zielgruppen, der Digitalisierung oder der Nachhaltigkeit. Mit 125 Jahren Erfahrung und Zukunftsorientierung steht sie auch weiterhin fest an der Seite der Betriebe zwischen Hochrhein, Hegau, Schwarzwald und Bodensee.
Interessante Einblicke ins Gestern, Heute und Morgen der Handwerkskammern in Baden-Württemberg bietet die eigens zum Jubiläum eingerichtete Website www.125hwk.org.
Präsidenten der Handwerkskammer Konstanz
1901–1905: Eduard Emele, Kirchen- und Dekorationsmalermeister
1905–1918: Oskar Sättlele, Schreinermeister aus Konstanz
1918–1930 Andreas Sauter, Hofschmiedemeister aus Konstanz
1931–1933: Konrad Fischer, Zimmerermeister aus Konstanz
1933–1945: Die Handwerkskammern werden aufgelöst
1954–1974: Karl-Leo Nägele, Elektromeister aus Konstanz
1974–1994 Ernst Held, Elektromeister aus Konstanz
1994–2010/11: Bernhard Hoch, Bäcker- und Konditormeister aus Villingen-Schwenningen
2011–2019: Gotthard Reiner, Elektromeister aus Deilingen
2019 bis heute: Werner Rottler, Schornsteinfegermeister aus Villingen-Schwenningen
Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Konstanz
1901–1919: Heinrich Müller, Gewerbelehrer und Architekt
1919–1933: Dr phil. Alfred Herfurth
1933–1945: Die Handwerkskammern werden aufgelöst
1945–1963: Dr. jur. Franz Schumann
1963–1996: Dipl-Kfm. Ernst Redl
1996–2009: Ass. Jur. Manfred Wolfensperger
2009 bis heute: Dipl.- Geograf Georg Hiltner
Weitere Informationen
125 Jahre Handwerkskammern in Baden-Württemberg