Kennt die Vielfalt der Lebenswelten von Jugendlichen und rät Betrieben zu einem klaren Profil: Jugendforscher Peter Martin Thomas beim Christiani-Ausbildertag in Singen.
Handwerkskammer Konstanz
Kennt die Vielfalt der Lebenswelten von Jugendlichen und rät Betrieben zu einem klaren Profil: Jugendforscher Peter Martin Thomas beim Christiani-Ausbildertag in Singen.

Praxis als Chance

Christiani-Ausbildertag zeigt neue Möglichkeiten auf

Sie hatten viele Fragen im Gepäck: Wen werde ich in Zukunft ausbilden? Wie spreche ich neue Zielgruppen an? Was macht eine gute Ausbildung heute aus? Rund 400 Ausbilderinnen und Ausbilder aus ganz Deutschland waren Ende September beim Ausbildertag des Lehrmittelanbieters Christiani in der Bildungsakademie Singen zu Gast. An zwei Tagen ging es um aktuelle Herausforderungen und Zukunftsmodelle der dualen Ausbildung. "Wir sind gerne Gastgeber eines solchen Forums, das Experten aus ganz Deutschland zu uns führt und damit auch neue Impulse für unsere Arbeit in der Bildungsakademie gibt", so Georg Hiltner, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Konstanz, in seiner Begrüßung.

Anregungen konnten die Teilnehmer in Fülle mitnehmen. Zum Beispiel, wenn es um eine Zielgruppe geht, die gerade verstärkt in den Fokus rückt: "Studienerfahrene" hält Markus Kamann von High Azubi in Berlin für aussichtsreiche Kandidaten. Schließlich bringen sie eine gute schulische Vorbildung und Wissen aus dem Studium mit und sind kaum in Versuchung, nochmals an die Uni zu gehen. Von ca. 100.000 Studienabbrechern pro Jahr geht Julia Flasdick vom DIHK aus, allerdings hätten 30 Prozent bereits eine abgeschlossene Berufsausbildung. Um die anderen Ex-Studenten für eine Ausbildung zu gewinnen, heißt es aber zunächst, Zugang zu Schulen und Hochschulen zu bekommen. Eine stärkere Vernetzung der Akteure und eine umfassende Berufsorientierung an Schulen sei daher unumgänglich, so die Referenten.

Als eine Möglichkeit, eine Berufsausbildung für qualifizierte Bewerber attraktiver zu machen, gelten Kombimodelle, die in kürzester Zeit gleich mehrere Abschlüsse in sich vereinen. Den "Meister ohne Praxis" sieht Stefan Baron vom BWHT allerdings nicht ohne Skepsis – und darin folgte ihm die Mehrheit der Teilnehmer: 31 sahen die Kombimodelle eher als Chance, 35 eher als Risiko, so das Ergebnis einer spontanen Umfrage am Ende des Workshops.

Dass die Möglichkeiten einer Karriere mit Lehre vielfältig sind, könnte dennoch ein großer Pluspunkt sein. Zumindest, wenn man Peter Martin Thomas folgt. Dem Jugendforscher und Leiter der Sinus Akademie in Heidelberg ging es in seinem Vortrag nämlich um genau diese Vielfalt, die auch die Lebenswelten von Jugendlichen heute prägt. Verschiedenste Vorstellungen existieren da nebeneinander, ein "flexibler Wertemix" hat ein stabiles ideologisches Weltbild ersetzt. Eine häufige Reaktion auf die große Freiheit: sich möglichst lange alle Optionen offenzuhalten. Damit muss laut Thomas klar gemacht werden, dass der Einstieg in die duale Ausbildung Türen öffnet statt sie zu verschließen.

Ein anderer großer Wunsch der Jugendlichen lässt sich mit einer Lehre sogar noch leichter erfüllen, nämlich der nach mehr Praxisbezug: "Das bietet ihnen große Chancen zum Anknüpfen", so Thomas. Sein Rat: "Das Allerwichtigste ist es, Praktika und Erfahrungsaustausch anzubieten. Wenn Sie dort investieren, präsent sind, Freude signalisieren, die Vielfalt des Berufs zeigen, haben Sie gute Aussichten auf Bewerber." Und noch eines konnte der studierte Sozialpädagoge den Ausbildern mitgeben: Ob es sich nun um die junge bürgerliche Mitte oder um unkonventionelle Abenteurer, um konservativ geprägte oder eher materialistisch eingestellte Jugendliche handle, wichtig sei es, seine Zielgruppe nicht nur zu kennen, sondern auch zu mögen. Eine "Pädagogik der Anerkennung" nannte Thomas da als Stichwort und ermutigte die Betriebe außerdem, selbst Profil zu zeigen: "Dann merken die Jugendlichen aus der jeweiligen Lebenswelt, dass sie gemeint sind."