IntegrationJunger Bäcker darf vorerst bleiben
Yerro Bah ist Bäcker. Der 29-Jährige arbeitet seit sechs Jahren bei der Bäckerei Grecht in Engen, wo er auch seine Ausbildung absolviert hat. Yerro Bah floh 2016 aus Gambia übers Mittelmeer nach Europa. Lange musste er um seinen Aufenthalt in Deutschland bangen und fürchtete die Abschiebung. Doch nun kann der Afrikaner vorerst aufatmen. Mit dem so genannten Chancenaufenthaltsrecht kann er die nächsten 18 Monate in Deutschland bleiben, ohne abgeschoben zu werden.
„Dieser Titel ist ein kleiner Erfolg – aber noch nicht das, was wir eigentlich erreichen wollen – das wäre ein Titel wegen nachhaltiger Integration“, erklärt Ines Rimmele, Migrationsbeauftragte der Handwerkskammer Konstanz. Sie beschäftigt Bahs Schicksal seit vergangenem Jahr. Ihr Einsatz geht jetzt also weiter: „Für eine nachhaltige Integration müssen in den 18 Monaten alle Voraussetzungen geschaffen werden“, sagt sie. Von der Ausländerbehörde werde hier ein klares Statement erwartet, „doch darauf warten wir momentan noch“, schildert Rimmele die Situation.
Ohne Papiere in Deutschland
Als Yerro Bah aus Afrika nach Deutschland kam, stellte er einen Asylantrag, der allerdings negativ beschieden wurde. Nachdem das Verwaltungsgericht Freiburg eine Klage abgewiesen hatte, wurde der junge Mann lediglich geduldet und hätte eigentlich ausreisen müssen. Im Laufe der Verfahren konnte Bah, der keine Papiere aus seinem Heimatland besaß, mit einer Delegation aus Gambia sprechen. Diese bestätigte seine gambische Staatsangehörigkeit. Mittlerweile hat er auch weitere Dokumente.
Über ein freiwilliges Projekt der Handwerkskammer in Kooperation mit der Beschäftigungsgesellschaft des Landkreises Konstanz, des Landkreises Konstanz, der örtlichen Agentur für Arbeit und des Jobcenters Landkreis Konstanz konnte er 2017 eine Ausbildung im Bäckerhandwerk beginnen, die er mittlerweile erfolgreich abgeschlossen hat.
Bester in der Praxisprüfung
Doch der Weg bis zum Abschluss war nicht einfach. Da Bah in Gambia nur kurz eine Schule besucht hatte, war die schriftliche Prüfung bei den Bäckern eine Herausforderung. Rechnen und Lesen fielen ihm sehr schwer. Dennoch schloss er den praktischen Teil der Gesellenprüfung mit einer herausragenden Note ab. Yerro Bah erreichte 87 Punkte (Note 1,9). „Im Kammergebiet wäre er damit Kammersieger und Kandidat für den Leistungswettbewerb im Handwerk (PLW) gewesen – hätte er die Theorieprüfung bestanden“, sagt Bäckermeister Markus Grecht, bei dem Bah seine Ausbildung absolviert hat.
Mit seinem Lebenslauf war Yerro Bah ein Kandidat für das „Migrationspaket 1“, das Chancenaufenthaltsrecht. Um dies zu erreichen, wurde ein Härtefallantrag im Ministerium der Justiz und für Migration gestellt. Eingebunden in den Fall waren auch Bundestagsabgeordneter Andreas Jung (CDU) und Landtagsabgeordnete Nese Erikli (Grüne).
Jetzt konnte ein erster Erfolg verbucht werden, freut sich Ines Rimmele, macht aber zugleich deutlich: „Wir kämpfen immer noch. Aber für Yerro Bah ist der Titel eine unglaubliche Erleichterung und Verbesserung seiner Situation – er darf endlich verreisen. Mit der bisherigen Duldung durfte er Deutschland nicht verlassen, denn die Duldung erlischt automatisch, wenn das Land verlassen wird. Jetzt hat er Anspruch auf einen Alphakurs in Deutsch, braucht sich keine Sorgen mehr wegen der Abschiebung machen – deshalb ist der kleine Erfolg irgendwie ein großer“, so Rimmele.
„Verdient Bleibeperspektive“
Auch Georg Hiltner, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Konstanz, ist erleichtert: „Die Abschiebung Herrn Bahs wäre unserer Auffassung nach allein aufgrund seiner Integration in den Arbeitsmarkt des regionalen Handwerks absurd gewesen. Alle Bemühungen unserer Betriebe im Hinblick auf die Ausbildung von zugewanderten Menschen, ihre Einarbeitung und ihre betriebliche Integration wären umsonst. Handwerk ist „Multikulti“. Menschen, die im Handwerk arbeiten und was für unsere Gesellschaft leisten, verdienen eine Bleibeperspektive“, machte er deutlich. Die Kammer habe sich in der Vergangenheit deswegen mit der Landespolitik ausgetauscht und sei gut vernetzt. Nun hoffen die Verantwortlichen, dass auch der letzte Schritt, die nachhaltige Integration, erreicht wird, damit Yerro Bah dauerhaft in Deutschland bleiben kann.