Luftaufnahme des Wasserkraftwerks in Wyhlen.
Energiedienst Holding AG

Exkursion ins Wasserkraftwerk WyhlenIst grüner Wasserstoff die Lösung?

 Wasser besteht bekanntlich aus zwei Teilen Wasserstoff und einem Teil Sauerstoff. Trennt man beides durch Elektrolyse voneinander, trocknet den Wasserstoff mithilfe von Silikaten und verdichtet ihn mit einem Membrankompressor, erhält man jede Menge Energie. Und die ist in Zeiten wie diesen Gold wert. Wasserstoff wird bereits seit vielen Jahren als wichtiger Baustein der Energiewende gehandelt. Doch ist dessen Herstellung, für die nicht nur teure Anlagen, sondern auch jede Menge Strom nötig sind, überhaupt wirtschaftlich?

Exkursion der Handwerkskammer ins Wasserkraftwerk Wyhlen

Um sich hierüber zu informieren, hatte die Handwerkskammer interessierte Handwerkerinnen und Handwerker zu einer Exkursion ins Wasserkraftwerk Wyhlen am Hochrhein eingeladen.

Dort wird Wasser schon seit über hundert Jahren zur Stromgewinnung genutzt. Das seit 1912 bestehende Werk hat sich den Charme der Zeit bewahrt. Beim Gang durch die hohen Säle, in denen die einströmenden Wassermassen große Turbinen antreiben, vibriert es unter den Füßen. Der Geräuschpegel ist enorm hoch. In einer hochwertig gearbeiteten alten Schrankwand hängen Spezialwerkzeuge aus der Gründerzeit. „Viele sagen, die seien immer noch besser als die neuen Werkzeuge“, erzählt Sabine Trapp-Brüstle vom Energieerzeuger, der Energiedienst Holding AG, zu der das Kraftwerk Wyhlen gehört. Neben den hochmodernen Turbinen treibt das einfließende Wasser mit all seiner Kraft auch die gusseisernen Vorgänger aus der Entstehungszeit der Anlage an – wertvoller grüner Strom entsteht hier.  Der wiederum wird genutzt, um im modernen Nebengebäude die hochkomplexen Anlagen zur schon beschriebenen Gewinnung des Wasserstoffs zu betreiben – grüner, CO2-neutraler Wasserstoff. Das Gebäude selbst darf nicht betreten werden. Einen Blick ins Innere auf die beiden Elektrolyseure dürfen die Besucher erhaschen. Ein Kompressor verdichtet den Wasserstoff auf 300 bar und danach wird er durch dünne Leitungen in die außenliegenden Speicher eingeleitet. Fährt die Anlage auf Volllast, kann die Produktion von vier Tagen gespeichert werden. Hier können täglich rund 80 Brennstoffzellen-PKW voll betankt werden.

So funktioniert die Power-to-Gas-Anlage

Grafik: Wie funktioniert eine Power-to-Gas-Anlage?
Energiedienst Holding AG

Die Power-to-Gas-Anlage ist ein staatlich gefördertes Leuchtturmprojekt der Energiedienst Holding AG und ging 2019 in Betrieb. Bis Juni 2021 wurden hier 60 Tonnen grüner Wasserstoff CO2-frei produziert.  Die Anlage hat eine Leistung von einem Megawatt. Künftig soll diese im Rahmen des vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz geförderten Forschungsprojekts „Reallabor H2-Wyhlen“ noch deutlich erhöht werden. Ziel ist es, den grün produzierten Wasserstoff wirtschaftlich tragfähiger zu machen. Nicht nur schwere Nutzfahrzeuge sollen künftig mit grünem H2 betankt werden. Vor allem die Industrie soll den Wasserstoff einfach nutzen können, um unabhängiger von fossilen Brennstoffen zu werden. Das Projekt sieht darüber hinaus vor, mit der Abwärme der Power-to-Gas-Anlage auch ganze Wohnviertel zu beheizen.

Wasserstoffmobilität als Zukunftsmodell 

Noch allerdings ist die Nutzung des in der bestehenden Power-to-Gas-Anlage produzierten Wasserstoffs eher ein Nullsummenspiel. Und je teurer der Strom an der Börse gehandelt wird, desto unwirtschaftlicher wird auch die stromabhängige H2-Produktion, gibt Peter Trawitzki, Ingenieur und Projektleiter bei der Energiedienst Holding AG, zu bedenken. Sechs bis sieben Euro kostete vor dem aktuellen Strompreisanstieg die Produktion eines Kilogramms Wasserstoff. „Die Preise an der Tankstelle ergeben sich durch den Vergleich mit den Treibstoffkosten fossil betriebener Fahrzeuge. So soll erreicht werden, dass die Treibstoffkosten für Brennstoffzellenfahrzeuge in etwa denen von fossil betrieben Fahrzeugen entspricht“, so Trawitzki. Dennoch sieht er vor allem in der Wasserstoffmobilität eine große Zukunft, denn die Produktionskosten werden langfristig deutlich sinken. Die Infrastruktur müsse allerdings weiter ausgebaut werden. „Der Firmenverbund zur Förderung der wasserstoffbasierten Schwerlastmobilität verfügt über rund 2.000 Tankstellen. Aus diesem Fundus heraus soll die flächendeckende Versorgung erreicht werden“, erläutert Trawitzki. Der oben genannte Firmenverbund verfügt über rund 4.000 schwere Nutzfahrzeuge. Bis Ende 2025 sollen hiervon 1.600 durch Brennstoffzellenfahrzeuge ersetzt werden.

Mit der nationalen Wasserstoffstrategie der Bundesregierung, durch die auch das Reallabor H2-Wyhlen gefördert wird, ist Deutschland auf einem guten Weg. Dennoch ist Peter Trawitzki skeptisch. „Dass sich Deutschland irgendwann dank erneuerbarer Energien und der Wasserstofftechnologie selbst versorgen kann, ist eine Illusion. Ich gehe davon aus, dass wir nach wie vor Energie aus dem Ausland beziehen werden. Deutschland wird dann eher Anlagenlieferant sein. Das ist unsere Stärke“, glaubt Trawitzki.

Tatsächlich sind die Herausforderungen groß: Momentan wird nur ein verschwindend geringer Anteil des Wasserstoffs in Deutschland aus regenerativen Energieträgern hergestellt – also als grüner Wasserstoff.  Der Großteil wird in Deutschland aktuell durch die Umwandlung von Erdgas und damit nicht CO2-neutral produziert.

Nationale Wasserstoffstrategie

Die Bundesregierung hat sich mit der nationalen Wasserstoffstrategie“ das Ziel gesetzt, bis zum Jahr 2030 Wasserstoffelektrolyseure mit einer Leistung von 5 Gigawatt (GW) in Deutschland zu installieren. Davon sollen Wasserstoffelektrolyseure mit einer Leistung von 2 GW in die Herstellung von konventionellen Kraftstoffen integriert werden. Dies bedeutet, dass bis 2030 unter dem Einsatz von 20 TWh Strom etwa 14 TWh Wasserstoff bereitgestellt werden sollen. Dieser würde bezogen auf den heutigen (fossilen) Wasserstoffbedarf rund 20 bis 25 % abdecken. Bis 2035, spätestens 2040 sollen darüber hinaus Elektrolyseleistungen von 5 GW ausgebaut werden. In der europäischen Wasserstoffstrategie wird für ganz Europa bis 2030 eine Elektrolyseleistung von 40 GW angestrebt.

Teilnehmer einer Exkursion der Handwerkskammer Konstanz stehen im Außenbereich des Wasserkraftwerks Wyhlen.
Petra Schlitt-Kuhnt
Rund 50 interessierte Teilnehmende erhielten beim Rundgang einen Einblick in das Wasserkraftwerk Wyhlen.

Elektrolyseur im Wasserkraftwerk Wyhlen.
Petra Schlitt-Kuhnt
Im Elektrolyseur wird Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff getrennt.

 

Weitere Informationen

Website des Wasserkraftwerks Wyhlen

Nationale Wasserstoffstrategie der Bundesregierung

Ansprechpartner bei der Handwerkskammer:

Peter Schürmann

Unternehmensservice
Team Betriebsführung, Innovation, Umwelt
Umweltschutzberatung

Tel. 07531 205-375

Fax 07531 205-6375

peter.schuermann--at--hwk-konstanz.de