Von links nach rechts: Porträts von Rainer Kenzler, Bernd Simone, Hansjörg Blender.
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Von links nach rechts: Rainer Kenzler, Bernd Simon, Hansjörg Blender.

Handwerksvertreter setzen auf Flexibilität, Offenheit und EmpathieWie meistert man Krisen?

„An die Zeit danach denken“

Rainer Kenzler ist Chef eines Malerbetriebs und Obermeister der Maler- und Lackierer-Innung Westlicher Bodensee

„Was jetzt passiert, ist wirklich außergewöhnlich. Trotzdem denke ich an die Erfahrungen zum Beispiel aus der Finanzkrise 2008 zurück: Die hat sich für unseren Betrieb als harmlos erwiesen, weil zwar Umsätze eines großen Industriekunden weggebrochen sind, aber viele kleinere Aufträge von Privatkunden kamen. Es ist also existenzsichernd, sich breit aufzustellen und vor allem flexibel zu sein. Dabei hat das Handwerk einen enormen Vorteil: Während zum Beispiel die Autoindustrie einen Wagen nach dem anderen vom Band laufen lassen muss, können wir uns schnell auf geänderte Situationen einstellen.

In der Krise lebt und entscheidet man ohnehin von Tag zu Tag. Mir war wichtig, die Mitarbeiter von Anfang an mitzunehmen und gemeinsam zu überlegen: Was wissen wir? Was kann auf uns zukommen? Was denken und erwarten unsere Kunden? Wir haben in der ersten Zeit abgearbeitet, was wir konnten und durften. Es kamen aber auch schnell die ersten Absagen, gerade von älteren Kunden. Ich habe dafür volles Verständnis gezeigt. Man sollte mit Empathie reagieren. Dann kann man in einigen Monaten auch getrost wieder hin.

Generell darf man in der akuten Krise nicht vergessen, an die Zeit danach zu denken: Wie kann die Zukunft aussehen und, vor allem, wie soll sie aussehen?

Das habe ich aus einer ganz anderen Situation gelernt: Als es hier im Hegau 2004 einen schweren Hagelsturm gab, waren wir zwei Jahre lang so ausgelastet, dass ich mich nicht mehr um andere Aufträge kümmern konnte. Das hat sich gerächt. Deshalb kann ich jedem nur empfehlen, in der Krise zu tun, was notwendig ist, sich aber gleichzeitig für die Zeit danach zu rüsten. Man muss Szenarien entwerfen und die Phantasie spielen lassen. Und es schadet auch nicht, die Werkstatt auf Vordermann zu bringen. Das habe ich bislang in jeder Krise getan.“

„Das gemeinsam durchstehen“

Hansjörg Blender ist Geschäftsführer eines Autohauses und Kreishandwerksmeister im Landkreis Konstanz

„Meine Erfahrung aus fast 50 Jahren Berufsleben hat mir gezeigt: Es ist immer weitergegangen – und jede Krise macht Dich resistenter. Mit einer Krise ging es bei mir nämlich schon los: Ich hatte nach dem Tod meines Vaters gerade erst das Geschäft übernommen, als die Ölkrise kam. Damals hätte ich die Firma beinahe an die Wand gefahren, weil ich nicht konsequent genug war. Mit 19 traust Du Dich nicht, Mitarbeiter zu entlassen oder andere harte Entscheidungen zu treffen. Die Finanzkrise vor zehn Jahren hatte auch Auswirkungen auf unseren Betrieb, aber da war ich schon anders aufgestellt. Es gehört eben Lebenserfahrung dazu und, wenn man die noch nicht hat, der Austausch mit anderen.

Das ist auch das, was ich in der derzeitigen Situation empfehle: Setzt Euch in Verbindung mit anderen, fragt nach, besprecht Euch in der Familie, mit den Mitarbeitern, mit den Kollegen, mit den Fachleuten aus der Kammer und den Verbänden. Und trefft dann gemeinsame Entscheidungen.

Einer der Faktoren, die uns im Handwerk auszeichnen, ist schließlich der enge Zusammenhalt. Ich habe das in den ersten Tagen der Verunsicherung auch in unserer Firma wieder gespürt: Wir haben unsere Mitarbeiter ganz offen informiert, dass wir zwar erst einmal weiterarbeiten und vor allem auch für unsere Kunden erreichbar sein wollen, vielleicht aber auch Kurzarbeit anmelden müssen. Da hatten alle Verständnis und ich bin mir sicher: Wir werden das gemeinsam durchstehen und, wie es der hiesige Landrat so schön gesagt hat, so anständig wie möglich mit der Situation umgehen.“

„Die Mitarbeiter schützen“

Bernd Simon ist Geschäftsführer eines SHK-Betriebs und Kreishandwerksmeister im Landkreis Tuttlingen

„Oberste Priorität ist es, die Mitarbeiter zu schützen. Ich habe deshalb gleich zu Beginn alle geplanten Wartungen und Montagen nach Möglichkeit verschoben und lasse jetzt jeweils die Hälfte unserer Mitarbeiter im zweiwöchentlichen Wechsel Überstunden abbauen. Die Mitarbeiter ziehen da voll mit und können sich umgekehrt auch auf unser Entgegenkommen verlassen. So wollen wir in den nächsten Wochen einen Notdienst aufrechterhalten.

In der Finanzkrise, die mit zeitlicher Verzögerung ja auch auf das Handwerk zurückfiel, war das noch genau andersherum: Da mussten wir jedem Auftrag hinterherlaufen. Doch auch jetzt rechne ich mit Spätfolgen: Dass die Kunden im Moment zurückhaltend sind, ist klar, aber das wird eventuell auch nicht ganz so schnell wieder anlaufen. Trotzdem rate ich, noch weiter nach vorne zu schauen und die Stammbelegschaft unbedingt zu halten. Wir kämpfen schließlich seit Jahren gegen den Fachkräftemangel – und wer jetzt Mitarbeiter verliert, wird sie nicht wiederbekommen. Bei 450-Euro-Kräften zum Beispiel greift die neue Kurzarbeitsregelung nicht. Das macht es umso dringlicher, dass die Soforthilfen wirklich sofort und unbürokratisch kommt. Ich empfehle, frühzeitig das Gespräch mit der Hausbank zu suchen. Vor allem aber gilt: Nicht den Kopf in den Sand stecken!“

 Was sind Ihre Erfahrungen mit Krisensituationen? Welche Haltungen, welche Maßnahmen haben sich bewährt? Und wie gehen Sie mit der aktuellen Situation um? Haben Sie Unterstützung erfahren oder selbst besondere Ideen entwickelt? Wir interessieren uns für Ihre Geschichte und freuen uns über Zuschriften unter presse@hwk-konstanz.de.