Modellfabrik
Handwerkskammer Konstanz
Sieht so auch das Handwerk der Zukunft aus? Controller und Datenbrille allein werden es wohl nicht ersetzen. Den Besuchern der Modellfabrik der HTWG Konstanz ermöglichten sie aber immerhin einen beeindruckenden Blick in die Produktion der Zukunft.

Was Handwerksunternehmer von einem Besuch in der HTWG-Modellfabrik mitnehmen könnenSmart sein rechnet sich

Das Bauteil in den Kasten legen, ein Häkchen auf die Liste im Tablet setzen. Dann leuchtet am Regal wieder ein grünes Licht auf. Das heißt: neues Teil greifen, reinlegen, Häkchen dran. Und weitermachen. So also wird in der Autoindustrie gearbeitet. Nur, dass sich das hier nicht in Ingolstadt oder Sindelfingen abspielt, sondern am Konstanzer Seerheinufer. Und dass die fleißigen Kommissionierer in Wirklichkeit gestandene Handwerker sind und im Moment auch nur in die Luft greifen. Denn die riesige Lagerhalle, all die Regale, Kästen und Bauteile existieren nur als Pixel in einer virtuellen Realität.

In der Reihe „Zukunft im Blick“ waren Mitgliedsbetriebe der Handwerkskammer in der Modellfabrik der HTWG zu Gast und konnten einen Blick auf die Produktion der Zukunft werfen - und zwar mit und ohne Datenbrille. Die virtuelle Nachbildung einer echten Produktionsumgebung zu Optimierungszwecken ist nämlich nur eine Spezialität von Carsten Schleyer und seinem Team. Zusammen mit seinem Kollegen Marcus Kurth hat der Wirtschaftsingenieur, der an der Konstanzer Hochschule eine Professur für Wertschöpfungssysteme innehat, ein Experimentallabor der besonderen Art aufgebaut. Hier lernen Studenten und Unternehmen, wie man effizient und wirtschaftlich produziert und welche Technologien dabei sinnvollerweise zum Einsatz kommen.

Produktion mit Plan

Ein Modellauto stellt die Modellfabrik passenderweise her – und das ganz nach Kundenwunsch und voll vernetzt. Station 1 kommt allerdings noch ohne Tablets aus: Hier geht es vor allem um die Prinzipien der „Lean Production“, also beispielsweise darum, den Materialfluss in der Montage möglichst zügig und verlustfrei zu lenken. Auf einer Videosequenz ist zu sehen, welchen Unterschied das in der Praxis macht: Herrscht anfangs noch chaotisches Gewimmel unter den studentischen Mitarbeitern der Modellfabrik, haben sich nach einer Stunde planenden Nachdenkens und Ausprobierens die Abläufe schon fast reibungslos eingespielt. „Die schlanke Produktion ist die Grundlage für alles. Wenn Sie keine guten Abläufe haben, bringt Ihnen auch die Digitalisierung nichts“, so Schleyers Rat an die Handwerksunternehmer.

Vernetzung bringt Mehrwert

Digitales kommt dann an der nächsten Station ins Spiel: Die Auftragsunterlagen sind da selbstverständlich drahtlos abrufbar, sogar die Regale und Kisten zeigen ihren Füllstand an und geben selbständig Rückmeldung ans Lager. Hier wird Vernetzung geübt, und zwar vom Kunden, der Teile seines Modellautos selbst konfigurieren kann, über die Herstellung der Komponenten, die in der Schweiz und in Österreich gefertigt bzw. 3-d-gedruckt werden, bis zu den Monteuren in ihrer smarten Werkstatt.

Mitarbeiter werden hier nach wie vor gebraucht – aber das ist für Carsten Schleyer auch kein Manko: „Ein Roboter wäre an dieser Stelle einfach nicht wirtschaftlich“, sagt der Wertschöpfungs-Fachmann. Die digitale Unterstützung des Personals dagegen rechne sich sehr wohl – zumal die entsprechenden Geräte inzwischen günstig zu haben sind. „Das ist auch der Grund für den großen Digitalisierungsschub der letzten Jahre“, sagt Schleyer.

Schweißen ohne Schwitzen

Neue Möglichkeiten eröffnet auch die Virtuelle Realität den Wissenschaftlern und Unternehmen: Anhand der virtuellen Modelle lassen sich ganze Produktionslinien nachbilden und verbessern. Sogar die physikalischen Eigenschaften der Objekte können dabei berücksichtigt werden und irgendwann auch die physische Konstitution der Mitarbeiter simuliert. Noch ist das virtuelle Schweißen allerdings kein bisschen Schweißtreibend: Einfach Datenbrille auf und Controller in die Hände, schon sprühen die Pixel-Funken. „Toll für die Lehrlingsausbildung“, findet einer der Besucher.

Informieren ist Pflicht

Auch die übrigen Gäste nehmen die ein oder andere Inspiration aus der Modellfabrik mit nach Hause: „Die Idee mit den Tablets für die Aufträge ist gut. Das machen wir.“, sagt die Geschäftsführerin eines Stahlbaubetriebs. Dass in der Modellfabrik deutlich wird, wie weit man in Sachen Digitalisierung und „Customizing“ – also dem Anpassen von Serienprodukten nach Kundenwunsch -  schon ist, sorgt hier und da allerdings auch für nachdenkliche Gesichter. Abschrecken lassen will sich dennoch keiner: „Wir müssen uns das von der Digitalisierung herausgreifen, was wir wirklich brauchen, uns spezialisieren und vor allem auf unsere Beratungskompetenzen setzen“, meint ein Schreinermeister. Zur Besichtigung ist er eigens aus dem Landkreis Waldshut angereist. Bange, sagt er, wäre ihm nämlich nur, „wenn wir uns gar nicht damit beschäftigen würden“.

Portrait von Jan Benz HWK KN / Martin Bargiel

Jan Benz

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