Future Business
Handwerkskammer Konstanz
Können sich und andere für die Zukunft begeistern: Teamleiterin Sonja Zeiger-Heizmann von der Handwerkskammer Konstanz und Trendforscherin Andrea Grudda.

Wie das Handwerk im "Future Business" mithalten kann, verriet Trendforscherin Andrea GruddaSchneller, schöner, besser

Da ist der Supermarkt, der ohne Kassen auskommt, weil die Einkäufe automatisch erfasst und die Kosten später abgerechnet werden. Da ist das Automatenhotel, das keine Rezeption mehr braucht, weil das Reservieren, Einchecken und Bezahlen per App funktioniert. Und da ist das Restaurant, das den Salat vor den Augen der Gäste wachsen lässt und erst kurz vor dem Servieren erntet. Schnell, smart und sehr, sehr anders – das ist die Welt von Andrea Grudda, Trendforscherin und Coach aus Düsseldorf. Zum Auftakt der Reihe „Zukunft im Blick“ der Handwerkskammer Konstanz war sie in der Bildungsakademie Singen zu Gast und nahm rund 60 Teilnehmer aus unterschiedlichsten Gewerken mit auf eine unterhaltsame Reise ins „Future Business“.

Der Papst twittert. Und das Handwerk?

Trends, so eine ihrer zentralen Thesen, würden heute nicht mehr von den Menschen, sondern von der Industrie gemacht. 300 Unternehmen weltweit gäben den Weg vor – und früher oder später folgen alle. Zum Beispiel in Sachen Social Media. Berühmt geworden sind die Bilder der Papstwahlen: Wo sich 2005 noch eine andächtige Menge auf dem Petersplatz versammelt hatte, waren acht Jahre später fast nur noch leuchtende Handydisplays zu sehen. „Inzwischen twittert auch der Papst, weil er in Kontakt mit seinen Kunden sein möchte“, sagt Andrea Grudda. Da sollte auch das Handwerk nicht hintanstehen. Der Tipp der Expertin: „Lassen Sie das Ihre Azubis machen! Sie quälen sich, die können es.“

Azubis vor! Weil jünger schlauer ist.

Für die jüngere Generation gebe es nichts Selbstverständlicheres als das Wischen, Klicken und Teilen. All die Apps, die das Leben von heute und morgen bestimmen, würden ja auch nicht von Ingenieuren mit 40 Jahren Berufserfahrung, sondern von 17-jährigen Freaks entwickelt. Sogar die Biologie spielt den Kids in die Hände: Innerhalb einer Generation habe die Entwicklung des Gehirns einen riesigen Sprung gemacht, erklärt Grudda. Das führe zu einer ebenfalls historisch neuen Situation: „Die Jungen führen die Alten“, stellt die Trendforscherin fest.

Wie alt man im Kopf ist, sei entscheidend – auch, wenn es um potenzielle Kunden geht: „Wer heute ein Unternehmen führt und die meisten Kunden erreichen möchte, muss sich an die ‚Gefühlt-35-Jährigen‘ wenden“, so Andrea Gruddas Rat. Und vorzugsweise an Frauen, denn die träfen 80 Prozent aller Kaufentscheidungen.

Wohlfühl-Konsum für das bessere Ich

Ob älter oder jünger, Mann oder Frau: Auf jeden Fall gelte es, die Kunden emotional abzuholen, sagt die Fachfrau, die Unternehmen von der Gastronomie bis zur Modebranche in Sachen Trends und Lifestyle berät. Denn der Nutzwert eines Produkts, seine Qualität, Langlebigkeit oder das Preis-Leistungs-Verhältnis, trete deutlich hinter den mit dem Produkt verbundenen Lifestyle zurück: „Neue Techniken, neue Produkte kommen dann an, wenn sie das Leben nicht einfach erleichtern, sondern bereichern“, lautet eine weitere wichtige Erkenntnis.

Momentan hätten laut Andrea Grudda die Unternehmen am meisten Erfolg, deren Produkte zu „unserer symbolischen Selbstergänzung passen“. Dahinter steckt der Gedanke, dass sich Menschen außer einem Arbeits- und einem Freizeitgesicht heute noch ein drittes Gesicht zugelegt haben: die idealisierte Identität, das „bessere Ich“, das sich nicht zuletzt über seinen Konsum definiert und hauptsächlich in den sozialen Netzwerken ausgelebt wird – und das inzwischen vorzugsweise auf Instagram. Für Unternehmen heißt das: „Wir müssen fotogen sein! Wir müssen als Unternehmen und mit unseren Produkten Instagram-tauglich sein.“

Inszenierung für den Premium-Markt

Also zählt nur noch der schöne Schein? Das wäre laut Andrea Grudda zu kurz gegriffen. Schließlich will die idealisierte Version des Selbst auch mit gutem Gefühl konsumieren. Vom Anbieter wird also Ethik und Transparenz erwartet. „Luxus definiert sich heute über Nachhaltigkeit“, sagt die Trendforscherin. Und damit könnte auch das Handwerk wieder ins Spiel kommen und sich in einem zwischen den Polen „Günstig“ und „Premium“ organisierten Markt im oberen Segment positionieren. Natürlich nur unter der Voraussetzung, dass sich die eigenen Produkte und das eigene Unternehmen gut in Szene setzen lassen. Dabei nicht zu viel Zeit verlieren ist der Rat der gelernten Schauspielerin Andrea Grudda. Für die Zukunft gelte nämlich: „Es gibt nur zwei Arten von Firmen – schnelle oder tote.“

Unter dem Motto „Zukunft im Blick“ widmet sich die Veranstaltungsreihe der Handwerkskammer Konstanz auch in diesem Jahr den Themen, die Landesregierung und Handwerkskammern im Projekt „Handwerk 2025“ als die großen Herausforderung für das Handwerk identifiziert haben, nämlich Personal, Strategie und Digitalisierung.