Volles Haus beim Neujahrsempfang der Wirtschaftskammern im Bodenseeforum in Konstanz: Den diesjährigen Ehrengast, Jean Asselborn (Mitte), begrüßten Claudius Marx, Hauptgeschäftsführer der IHK Hochrhein-Bodensee, Werner Rottler, Präsident der Handwerkskammer Konstanz, IHK-Präsident Thomas Conrady und Georg Hiltner, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer (von links).
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Volles Haus beim Neujahrsempfang der Wirtschaftskammern im Bodenseeforum in Konstanz: Den diesjährigen Ehrengast, Jean Asselborn (Mitte), begrüßten Claudius Marx, Hauptgeschäftsführer der IHK Hochrhein-Bodensee, Werner Rottler, Präsident der Handwerkskammer Konstanz, IHK-Präsident Thomas Conrady und Georg Hiltner, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer (von links).

Neujahrsempfang der WirtschaftskammernJean Asselborn macht sich stark für europäischen Zusammenhalt

Mehr als 1.000 Besucher sind am Mittwochabend zum alljählichen Neujahrsempfang der Wirtschaftskammern in das Bodenseeforum in Konstanz gekommen.  Nach einer Begrüßung von Handwerkskammerpräsident Werner Rottler und IHK-Präsident Thomas Conrady sprach der Luxemburger Außen- und Migrationsminister Jean Asselborn. In seiner Rede widmete er sich den politischen Herausforderungen auf europäischer und weltweiter Ebene und machte sich stark für einen großen europäischen Zusammenhalt.

Die Zukunft als Gemeinschaftsprojekt

Den Wandel begreifen, die Herausforderungen annehmen und gemeinsam die Zukunft gestalten: Diese Aufforderung konnten die Vertreter aus Wirtschaft, Gesellschaft und Politik vom Neujahrsempfang der Handwerkskammer Konstanz und der IHK Hochrhein-Bodensee im Konstanzer Bodenseeforum mitnehmen.

Sie gelte, wie Handwerkskammerpräsident Werner Rottler betonte, zuallererst für den Klimaschutz, einem „riesigen Gemeinschaftsprojekt“, bei dem Deutschland oft als Vorreiter gesehen werde. „Viele warten weltweit auf ein Signal von uns“, so Rottler. Das Handwerk sei dafür gut aufgestellt: „Reparieren statt wegwerfen, energetisch sanieren statt Energie verschwenden, erneuerbare Energien fördern und einbauen: Das Handwerk lebt mit großer Selbstverständlichkeit vor, worauf es beim Klimaschutz ankommt.“

Auch bei der Fachkräftesicherung und dem Stellenwert der dualen Ausbildung hält der Handwerkskammerpräsident einen neuen gesellschaftlichen Konsens und neue Konzepte für notwendig: „Die Berufswahl darf nicht zur reinen Imagefrage verkommen“, forderte Rottler. Die Meisterprämie und die Wiedereinführung der Meisterpflicht in einigen Gewerken seien wichtige Schritte gewesen, die Chancen und Förderungen sollten für alle gleich sein.

Für mehr Beweglichkeit des Bildungssystems sprach sich auch IHK-Präsident Thomas Conrady aus: Laut Prognosen würden 70 Prozent der jetzigen Grundschüler später in Berufen arbeiten, die es heute noch gar nicht gibt. Auch lebenslanges Lernen bekäme im Zeitalter der Digitalisierung einen neuen Stellenwert: „Ausgelernt hat ausgedient“, so sein Fazit.

Dennoch gelte es, angesichts der rasanten Geschwindigkeit der Veränderungen Ruhe zu bewahren und weder in hektische Kurswechsel zu verfallen noch auf Verbote zu setzen. Stattdessen sei „Veränderungsintelligenz“ gefragt, die aus dem Wandel produktive Konsequenzen ziehe, so Conrady.

Dass die Region über die dazu notwendige Kreativität und Innovationskraft verfüge, bestätigte Gastredner Jean Asselborn den Wirtschaftsvertretern. „Dank harter Arbeit, Wissen und Erfindungsreichtum ist Baden-Württemberg zu einer der wirtschaftlich stärksten Regionen Europas geworden“, so der luxemburgische Außenminister. Gleichzeitig profitiere der exportstarke Südwesten in besonderem Maße vom gemeinsamen Binnenmarkt.

Europa - ein einzigartiges Friedensprojekt

Über den wirtschaftlichen Erfolg dürfe man allerdings nicht vergessen, was die Europäische Union im Kern ausmache: Europa sei ein einzigartiges Friedensprojekt, eine Werte- und Rechtsgemeinschaft. „Das ist es, was uns von anderen internationalen Organisationen unterscheidet“, so Asselborn. Diese Basis gelte es zunehmend zu verteidigen – gegen populistische Tendenzen und nationale Egoismen im Inneren und weltweit. „Europa muss wehrhaft sein und intolerant gegen diejenigen sein, die an den Grundfesten der Gemeinschaft rütteln“, so sein Appell. Dies sei beispielsweise bei der Verweigerung einer gemeinsamen Migrationspolitik durch einzelne Mitgliedsstaaten der Fall: „Dass wir seit 2015 auf freiwillige Solidarität gesetzt haben, war ein fataler Fehler“, räumte der europaweit dienstälteste Außenminister ein. Auch mit Blick auf die Entwicklung in einigen Mitgliedstaaten will Asselborn den Druck erhöhen und Fördermittel an die Einhaltung rechtsstaatlicher Prinzipien koppeln.

Um Handlungsspielräume einer gemeinsamen Politik geht es ihm auch beim Klimaschutz: Die Klimaziele müssten auf EU-Ebene fest verankert und alle Ausgaben und Maßnahmen im Einklang mit dem Pariser Klimaschutzabkommen stehen. Gleichzeitig gelte es, den Strukturwandel sorgfältig zu planen und Wettbewerbsnachteile zu vermeiden.

Ein starkes und selbstbewusstes Europa und ein klares Bekenntnis zu einem multilateral geregelten System sieht Asselborn auch weltweit gefordert: Nach dem Brexit gelte es, ein möglichst umfassendes Freihandelsabkommen mit dem Vereinigten Königreich zu verhandeln. Auch das Rahmenabkommen mit der Schweiz ist nach jahrelangen Verhandlungen immer noch in der Schwebe. Die Welthandelsorganisation stünde nach der Blockade durch die USA am Scheideweg und auch die Krisenherde im Nahen Osten vergaß Asselborn in seinem kurzen Auszug aus der Agenda eines Außenministers nicht – vom Atomabkommen mit dem Iran bis zur israelischen Siedlungspolitik. Dennoch ist sein Resümee optimistisch: „Es gibt viele Herausforderungen. Aber ich setze auf die Einsicht, dass internationale Zusammenarbeit und die Suche nach politischen Lösungen der einzige Weg für Stabilität und Wachstum sind.“