Porträt von Hauptgeschäftsführer Georg Hiltner (links) und Präsident Werner Rottler der Handwerkskammer Konstanz.
Handwerkskammer Konstanz (Archivbild, Januar 2020)
Hauptgeschäftsführer Georg Hiltner (links) und Präsident Werner Rottler der Handwerkskammer Konstanz.

Handwerkskammerpräsident Werner Rottler und Hauptgeschäftsführer Georg Hiltner setzen trotz Corona auf Zukunftsthemen"Langfristige Ziele nicht aus den Augen verlieren"

Herr Rottler, 2020 war aufgrund der Corona-Pandemie ein außergewöhnliches Jahr. Zugleich war es ihr erstes Jahr als neu gewählter Präsident der Handwerkskammer Konstanz. An was werden Sie sich zurückerinnern?

Werner Rottler: Das Jahr startete gut. Auf ersten Sitzungen und Veranstaltungen konnte ich als neuer Präsident wichtige Kontakte knüpfen, Termine mit Medienvertretern, Landräten, Bürgermeistern, Abgeordneten wurden vereinbart. Und natürlich standen erste Betriebsbesuche zu unterschiedlichen Themen auf dem Programm. Die Planungen wurden dann im März durch die Corona-Krise komplett auf den Kopf gestellt. Einiges lief virtuell oder per Telefon, aber das ersetzt letztendlich nie das erste persönliche Gespräch, den persönlichen Austausch als Basis für eine vertrauensvolle, zukünftige Zusammenarbeit. Normalität sieht sicher anders aus.

Trotzdem bin ich sehr zufrieden, dass wir alle wichtigen Themen des Jahres positiv und im Sinne unserer Mitglieder abschließen konnten, wie beispielsweise die Konsolidierung der Bildungshäuser durch den Verkauf der Bildungsakademie in Villingen. Damit erreichen wir das Ziel, in unseren anderen Bildungsstätten weiterhin eine hochwertige Aus- und Weiterbildung in der Fläche anzubieten. In der Krise wurde außerdem deutlich, wie wichtig die Zusammenarbeit mit anderen Handwerksorganisationen auf Kammer-, Landes- und Bundesebene ist. In dieser Situation hat sich unsere flexible Selbstverwaltung wirklich bewährt.

Herr Hiltner, die Corona-Krise hat die Unternehmen vor große Herausforderungen gestellt. Durch den ersten und jetzt den zweiten Lockdown zum Jahreswechsel sind viele Mitgliedsbetriebe in ihrer Existenz bedroht. Welche Rolle kam dabei der Handwerkskammer zu?

Georg Hiltner: Ich verfolge gemeinsam mit den Mitarbeitenden bis heute vier Schwerpunktthemen. Zum einen war die schnelle Umsetzung der Corona-Hilfen unbedingt zu erfüllen. Zum anderen wollten und wollen wir in unseren Bildungshäusern sicherstellen, dass jeder Teilnehmende seinen Abschluss trotz der Corona- Pandemie machen kann. Und natürlich steht der Erhalt guter und qualifizierter Service- und Beratungsleitungen im Fokus. Aufgrund des hohen Digitalisierungsgrades unserer Kammer können trotz konsequenter Umsetzung notwendiger Hygienestandards alle Leistungen unter Einbezug moderner Arbeitsformen angeboten werden, was ebenfalls für mich eine hohe Priorität hat.

Im März findet die Landtagswahl in Baden-Württemberg statt. Mit welchen Wünschen an die Politik gehen Sie ins neue Jahr?

Werner Rottler: Was wir jetzt brauchen, ist eine Politik, die die Betriebe nicht zusätzlich unter Druck setzt, sondern ihnen Luft zum Atmen verschafft. Also keine zusätzlichen Belastungen wie steigende Sozialbeiträge, bitte. Alles muss darauf abzielen, dass Unternehmen ihre wirtschaftliche Stärke erhalten können.

Und bei allen Herausforderungen, die Corona uns auferlegt, dürfen wir unsere langfristigen Ziele nicht aus den Augen verlieren. Wie kann das Handwerk konkurrenzfähig bleiben? Welche Anreize müssen geschaffen werden, um Gründung und Nachfolge im Handwerk attraktiver zu machen? Wie können wir Ausbildungsbetriebe weiter entlasten, die gerade in der Krise gezeigt haben, dass sie ihre Verantwortung ernst nehmen? Auch Digitalisierung und Innovationen müssen gefördert werden. Dazu brauchen wir eine ganzheitliche Strategie für den Breitbandausbau in der Fläche, der gut koordiniert wird. Und was die Energiewende anbelangt, so fordere ich mehr Technologieoffenheit.

Georg Hiltner: Daneben ist für uns als Bildungsträger wichtig, dass wir die Qualität in der handwerklichen Aus- und Weiterbildung halten können. Das geht aber nicht ohne eine langfristig verlässliche finanzielle Unterstützung des Landes. Die Investitionen in eine moderne Ausstattung und Instandhaltung der Werkstätten dürfen wir in diesen schwierigen Zeiten nicht immer stärker unseren Mitgliedsunternehmen aufbürden. Da brauchen wir ein klares Bekenntnis zur Gleichwertigkeit der dualen Ausbildung, die sich eben nicht nur durch verbale Wertschätzung äußert, sondern sich auch finanziell zeigt und uns Planungssicherheit verschafft.

Was haben Sie sich selbst für das Jahr 2021 vorgenommen? Was erwartet die Mitgliedsbetriebe?

Georg Hiltner: Die größte Sorge, die uns umtreibt, ist, dass 2021 Mitgliedsbetriebe verstärkt Insolvenz anmelden müssen. Damit es nicht soweit kommt, versuchen wir bestmöglich zu beraten und zu begleiten. Und dann wird es darum gehen, das Handwerk sicher in die Zukunft zu begleiten, Stichwort digitale Transformation. Dabei ist uns bewusst, wie unterschiedlich die Bedarfe je nach Gewerk oder Betriebsgröße sind und dass es keine Lösungen von der Stange gibt. Soloselbständige, die derzeit besonders von der Krise betroffen sind, brauchen andere Angebote ihrer Kammer als ein überregional agierendes Unternehmen mit über 200 Mitarbeitern. Wir werden entsprechend unsere Dienstleistungen, Beratungen sowie Weiterbildungsangebote noch stärker auf die unterschiedlichen Zielgruppen anpassen.

Werner Rottler: Dazu wollen wir noch stärker mit unseren Betrieben in den Dialog treten – in welcher Form das 2021 auch immer möglich sein wird. Dabei interessieren mich die konkreten Herausforderungen eines Zulieferers auf dem Heuberg genauso wie die eines Friseurs im Hegau. Ich will mit den Betriebsinhabern, Ausbildern, Mitarbeitern und Auszubildenden sprechen, deren Anliegen an uns als Kammer aber auch an die Politik entgegenzunehmen und gemeinsam mit der Vollversammlung und der Verwaltung an Lösungen zu arbeiten.