Bis das schnelle Internet seinen Betrieb in Ühlingen-Birkendorf erreicht, will Lothar Heer nicht warten.
Handwerkskammer Konstanz
Bis das schnelle Internet seinen Betrieb in Ühlingen-Birkendorf erreicht, will Lothar Heer nicht warten. In vier Jahren zieht der Schreinermeister mit seiner Werkstatt wieder um.

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Betriebe warten mancherorts immer noch auf das schnelle Internet. Ein Grund: Gemeinden und Landkreise verfolgen unterschiedliche Ansätze

Die Werkstatt von Lothar Heer in Ühlingen-Birkendorf (Landkreis Waldshut) ist bestens gerüstet: Ein funkelnagelneues CNC-Bearbeitungszentrum hat der selbständige Schreinermeister angeschafft, um schnell und präzise auch die ungewöhnlichsten Kundenwünsche umzusetzen. Moderne Zeiten im Handwerk eben. Doch wehe, er will Daten zwischen der Werkstatt und dem Büro in seinem 25 Kilometer entfernten Wohnort Wutach-Lembach austauschen. Dann wird High-Tech zur Geduldsübung. Gerade mal auf 4 Megabit in der Sekunde kommt man in der Straße, in der Lothar Heer seit 2012 seine Werkstatt betreibt. „Wenn hier zehn Computer laufen, ist es vorbei mit Internet“, sagt er.

Flickenteppich beim Breitbandausbau

Digitalisierung gilt als wichtiger Wettbewerbsfaktor – und das nicht nur für die „Industrie 4.0“, sondern auch für die kleinen und mittleren Betriebe des Handwerks. Die digitale Wende setzt allerdings außer neuem Knowhow in Produktion, Organisation und Kommunikation auch die richtige Infrastruktur voraus. Doch beim schnellen Internet hapert es gewaltig: Vor allem in ländlichen Regionen kommen längst nicht alle Betriebe auf den Goldstandard von 50 oder sogar 100 Mbit/s. Und der Ausbau geht nur stückweise voran.

Wer sich Baden-Württemberg auf dem Breitbandatlas des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur anschaut, sieht erst einmal grün. Über die Hälfte der Haushalte ist also schon mit mindestens 50 Mbit/s versorgt. Doch je näher man zoomt, desto mehr verwandelt sich das Bild in einen Flickenteppich: Hellblau, sogar Dunkelblau wird es da mancherorts – und damit bleibt der digitale Wandel an diesen Orten für eine Mehrheit der Bewohner und Gewerbetreibenden eine langwierige Angelegenheit.

Ein Grund: „Beim Thema Breitbandausbau im ländlichen Raum gibt es kein einheitliches Vorgehen, sondern zwei ganz unterschiedliche Ansätze“, sagt Joachim Kunz, Leiter des Fachbereichs Starter-Center und Standortförderung der Handwerkskammer Konstanz. Während beim Deckungslückenmodell einem Telekommunikationsunternehmen ein Zuschuss gezahlt wird, damit es eine Breitbandinfrastruktur errichtet und betreibt, bauen im Betreibermodell die Kommunen das Netz selbst und verpachten es anschließend an einen Betreiber. „Das führt zu unterschiedlichen Formen und Geschwindigkeiten der Erschließung“, so Kunz.

Unterschiedliche Modelle und Geschwindigkeiten

Der Landkreis Waldshut etwa baut den Backbone als zukünftige Datenautobahn mit Übergabepunkten zu den Städten und Gemeinden, die dann für den Anschluss mit dem Ortsnetz und den Hausanschlüssen an sorgen. In Rottweil ist man da anders vorgegangen: Hier ist der Landkreis in die Lücke gesprungen und hat mit einem Investitionszuschuss für einen flächendecken Ausbau gesorgt. Derzeit laufen die letzten Arbeiten, dann können 95 Prozent der Einwohner und Betriebe in den 21 Gemeinden des Landkreises mit mindestens 30Mbit/s und bis zu 100Mbit/s versorgt werden.

Inzwischen hat auch die Gemeinde Ühlingen-Birkendorf einen Vertrag mit der Telekom abgeschlossen. 1,4 Millionen Euro sollen allein dieses Jahr in die Breitbandversorgung weiterer Ortsteile investiert werden. Bis zu Lothar Heer wird das schnelle Internet allerdings nicht mehr vordringen: „Das werde ich hier nicht mehr erleben“, ist er sich sicher. Wenn der Pachtvertrag in vier Jahren ausläuft, verlagert er den Betrieb wieder komplett nach Wutach-Lembach.

Dort hat er dann zwar eine gute Internetverbindung, allerdings lässt das Mobilfunknetz zu wünschen übrig – eine Einschränkung, mit der der Schreinermeister aber gut leben kann: „Das kann ja auch von Vorteil sein. Zumindest ist man nicht rund um die Uhr auf Empfang.“

Standortfaktor Internet

Eine gute Internetanbindung zählt aus Unternehmersicht zu den wichtigsten Standortfaktoren überhaupt. Das zeigt eine Studie der Gesellschaft für angewandte Kommunalforschung, die im letzten Jahr rund 2.150 Betriebe aus dem Landkreis Waldshut unter anderem zu ihrer Zufriedenheit mit dem Standort und ihren Entwicklungsplänen befragt hat. Die Bedeutung der Breitbandversorgung rangiert demnach direkt hinter der Verfügbarkeit von qualifizierten Arbeitskräften. Entsprechend unzufrieden sind die Betriebe mit der aktuellen Situation: Bei der derzeitigen Anbindung sind für über 40 Prozent der befragten Betriebe nur bis zu 10 MBit/s möglich oder realisiert. Ihren künftigen Bedarf schätzen aber über 80 Prozent der Betriebe auf mindestens 50 Mbit/s oder sogar 100 Mbit/s deutlich höher. Ähnlich sah es 2016 im Landkreis Konstanz aus, wo Unternehmer dem Thema Breitbandversorgung sogar oberste Priorität einräumten und sich mit der Versorgungslage nur wenig zufriedener zeigten.

Die Bedeutung der digitalen Infrastruktur wird auch im Entwurf des Koalitionsvertrags gewürdigt: CDU/CSU und SPD wollen 2025 einen rechtlich gesicherten Anspruch auf flächendeckenden Zugang zum schnellen Internet schaffen und dazu eine bundesweite Gesamtstrategie erarbeiten.

 Den aktuellen Stand der Breitbandversorgung in Deutschland zeigt der Breitbandatlas des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur unter www.bmvi.de/breitbandausbau. Auf interaktiven Karten kann kostenfrei nach Adressen gesucht und bis auf Ebene eines Orts- oder Stadtteils navigiert werden.