Kann wieder optimistisch in die Zukunft schauen: In Syrien hat Basel Alabdullah neben dem Studium an Autos gebastelt, jetzt wird er bei der VAZ GmbH in Villingen zum Kfz-Mechatroniker ausgebildet.
Handwerkskammer Konstanz
Kann wieder optimistisch in die Zukunft schauen: In Syrien hat Basel Alabdullah neben dem Studium an Autos gebastelt, jetzt wird er bei der VAZ GmbH in Villingen zum Kfz-Mechatroniker ausgebildet.

"Ein guter Anfang"

Handwerkskammerspitze erhält im Schwarzwald-Baar-Kreis Einblick in den Betriebsalltag von Flüchtlingen in Ausbildung

Essa Manneh hat in seiner Heimat Gambia, die er aus religiösen Gründen verlassen hat, auf einer Farm gearbeitet. Dass er jetzt mit riesigen, hochmodernen Landmaschinen zu tun hat, erfüllt ihn mit Stolz. Der 19-Jährige hat im September ein Einstiegsqualifizierungsjahr in Vorbereitung auf die Ausbildung bei der ZG Raiffeisen Technik GmbH Agrartechnik in Donaueschingen begonnen.

Dort ist man glücklich über den Neuzugang: „Ich sehe ein enormes Potential in Essa, er ist hochmotiviert, versteht die technischen Zusammenhänge schnell und kommt bei den Kollegen bestens an. Wenn er will, kann er nächstes Jahr bei uns in die Ausbildung starten“, sagt Werkstattleiter Thomas Meyer im Gespräch mit Kammerpräsident Gotthard Reiner und Georg Hiltner, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Konstanz.

Gemeinsam mit Maria Sokolaki und Mustafa Mahammad, „Kümmerer“ im Rahmen des Programms „Integration durch Ausbildung - Perspektive für Flüchtlinge" des Wirtschaftsministeriums Baden-Württemberg, besuchte die Kammerspitze vier Handwerksbetriebe im Schwarzwald-Baar-Kreis. Sie stehen exemplarisch für rund 60 Betriebe im Kammerbezirk, die in diesem Jahr Flüchtlinge ausbilden oder Einstiegsqualifizierungen anbieten. „Diese Zahl ist ein guter Anfang", sagt Handwerkskammerpräsident Gotthard Reiner. Die Betriebe hätten die Chance erkannt und seien bereit, ihren Teil zu einer dauerhaften Integration beizutragen. „Die Erfahrungen, die diese Vorreiter jetzt sammeln, werden auch anderen den Weg ebnen", ist sich Reiner sicher.

In der Region gut angekommen

Dass es dabei vor allem auf individuelle Lösungen ankommt, zeigt das Beispiel von Essah Manneh. Für ihn würde eine Ausbildung zum Landmaschinenmechaniker bedeuten, das erste Lehrjahr komplett an der Fachschule in Breisach zu verbringen. Nicht einfach für einen jungen Menschen, der als unbegleiteter, minderjähriger Flüchtling nach Deutschland gekommen ist und mittlerweile im Schwarzwald-Baar-Kreis Fuß gefasst, hier Freunde gefunden hat und begeistert Fußball spielt.

Dass Flüchtlinge aus Gambia keine hohe Bleibeperspektive haben, ist für das Unternehmen kein Hindernis. „Dass jemand plötzlich weggeht, kann auch bei Inländern passieren, eine Garantie gibt es nie“, sagt Meyer.



Irgendwann eine Firma gründen wie der Chef

Das sieht auch Michael Eichkorn, Juniorchef des gleichnamigen Elektrobetriebs in Brigachtal so. Bei ihm startete nach einem Praktikum im September der fast gleichaltrige Sellou Jallow, ebenfalls aus Gambia, eine Ausbildung als Elektroniker. Ein Glücksfall für das Unternehmen, denn die Suche nach motivierten Auszubildenden werde immer schwieriger, berichtet Eichkorn. „Unser Fachgebiet schließt Themen wie Glasfaserkabel, Datenübertragung oder Routereinrichten mit ein. Es wird immer vielschichtiger und komplexer“, erklärt Elektromeister Thomas Platzk, auch mit Blick auf die vielen Fachbegriffe und Kenntnisse, die Sellou Jallow sich nun aneignen muss. Um in der Berufsschule besser mithalten zu können, erhält der ehrgeizige Nachwuchshanderker Nachhilfe, sogenannte ausbildungsbegleitende Hilfen (ABH). Im Betrieb fungiert neben Elektromeister Platzk auch ein Auszubildender aus dem dritten Lehrjahr als Tutor für Sellou Jallou.

Der sieht seine Zukunft in Deutschland. „Ich möchte gerne meine Ausbildung fertig machen und bei Eichkorn bleiben, dann vielleicht den Meister machen. Und vielleicht wie mein Chef irgendwann eine Firma gründen“, sagt er verschmitzt. Von einem Hilfsarbeiterjob in der Industrie, um schnell Geld zu verdienen, hält er nichts. „In der Industrie könnte ich mich nicht in zehn Jahren selbständig machen“, so der 19-Jährige, der das in Gambia unbekannte duale Ausbildungssystem und seine Möglichkeiten sehr schätzt. „Mit deinem Wissen als Meister wärst du in Gambia quasi ein Ingenieur“, bestärkt ihn Seniorchef Heinrich Eichkorn.

KFZ-Mechatronik statt Jura

Die beiden Brüder Basel und Abed El Kader Alabdullah sind vor rund zwei Jahren mit der ganzen Familie nach Deutschland geflüchtet. Statt das begonnene Jurastudium in Syrien weiterzuführen stehen sie nun in den KFZ-Werkstätten der Autohäuser Storz GmbH in St. Georgen und VAZ GmbH in Villingen.

„Ich habe schon früher an Autos gebastelt und geschraubt, neben dem Studium. Mit der Hand zu arbeiten hat mir immer schon mehr Spaß gemacht“, erzählt Basel Alabdullah. Drei Getriebe hat er bei VAZ schon „gemacht“, hat für die Arbeit vom Unternehmen einen eigenen Rollwagen mit Werkzeugen gestellt bekommen. „Man merkt, dass er schon viel kann, er ist im Vergleich zu den anderen Auszubildenden im ersten Lehrjahr schon am weitesten“, sagt Ausbilder Christoph Laufer. Basel sehe die Arbeit und handle entsprechend, sei immer höflich und voller Respekt. „Wenn er will, hat Basel bei uns lebenslänglich“, so VAZ-Chef Volker Körner.

Sowohl er als auch Matthias Storz vom Autohaus Storz  beklagen, dass viele Gesellen nach der Ausbildung in die besser bezahlende Industrie abwanderten: „Wir sitzen hier eng beieinander – da hinten ist z.B. Conti“, sagt Körner mit kritischem Unterton. An der Bezahlung könne er nicht viel drehen, aber er wolle die jungen Menschen von den interessanteren Aufgaben im Handwerk überzeugen. „Wir suchen Menschen, die gerne am Fahrzeug arbeiten und nicht immer nur den ganzen Tag dasselbe machen wollen.“



Auch Matthias Storz berichtet, dass er schon Mechaniker an die Industrie verloren habe. Er sieht in der Ausbildung von Abed El Kader Alabdullah aber nicht nur eine Chance für den eigenen Betrieb, sondern für den bereits 24-jährigen Syrer. „Er muss jetzt ganz neu anfangen und ist ja schon etwas älter“, so Storz, der ihm nach einem Praktikum eine Einstiegsqualifizierung ermöglicht hat. „Wir haben eine gesamtgesellschaftliche Verantwortung. Uns geht es gut. Und wir haben bei uns die Strukturen, um unkompliziert Menschen bei uns zu integrieren“, sagt der Juniorchef. Im Handwerk funktioniere das besser als anderswo, auch wenn es anfangs  Berührungsängste gegeben habe. „Wichtig ist doch, dass alle gerne zum Arbeiten kommen“, fasst Storz zusammen.

Abed El Kader Alabdullah selbst fühlt sich mittlerweile pudelwohl im Autohaus Storz: „Wir sind wie eine kleine Familie.“ Ob der Syrer nach der Ausbildung übernommen wird, entscheidet allerdings wie bei allen Auszubildenden die Leistung, denn einen Freibrief habe bei Storz niemand, so der Chef.